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Deutsche Rundschau.
als dasjenige der Mona Lisa von Leonardo; aber es kommt ihm an süßem, seelischem Zauber nur nahe. Immerhin brauchten wir uns kaum nach weiteren Beispielen dafür umzusehen, daß, während die Bildnisse des fünfzehnten Jahrhunderts die Charaktere verkörpern, diejenigen der Blüthezeit des sechzehnten Jahrhunderts zugleich die Seelen malen.
Die Bildnißmalerei, der so die Wege zur höchsten malerischen Freiheit uni zur tiefsten geistigen Bedeutsamkeit gewiesen waren, nahm jetzt einen immer größeren Umfang an. Die meisten berühmten Historienmaler der goldenen Zeit warer auch als Bildnißmaler geschätzt. Nur die subjectivsten der subjectiven Meister wie Michelangelo und Correggio, schlossen sich aus. Von den großen Geschichtsmalern dieser Zeit werden, außer Leonardo, Andrea Solario und Raphael, M deren Einzelbildnisse bereits hingewiesen worden, und außer Tizian, dessen Br deutung als Bildnißmaler zum Schlüsse noch hervorgehoben wird, besonders di folgenden auch als Bildnißmaler gefeiert: Andrea del Sarto, von dem sich ettri achtzehn durch den Adel ihrer Umrisse, die Weichheit ihrer Pinselführung und di seelische Anmuth ihres Ausdrucks ausgezeichnete Bildnisse erhalten haben; sei Freund Francia Bigio, von dem man ihrer zwar kaum die Hälfte kennt, nute ihnen aber Werke, die eine noch schärfere Auffassung der Persönlichkeit mit eine noch festeren und doch nicht minder malerischen Vortragsweise verbinden; Parmeg gianino, dem etwa zehn Bildnisse von vornehmer Haltung und geistvoller B Handlung zugeschrieben werden können; Sebastiano del Piombo, dessen Bedeutm als Bildnißmaler, wie sie uns z. B. aus dem herrlichen, neuerworbenen Frauen bilde des Berliner Museums entgegenleuchtet, am besten durch die Thatsache gr kennzeichnet wird, daß einige seiner Bildnisse bis vor Kurzem für Arbeite Raphael's gehalten wurden; und Sodoma, dessen überlieferte Bedeutung als Bild nißmaler freilich erst ganz neuerdings durch erhaltene Bildnisse, die ihm zugewich werden, bestätigt werden zu sollen scheint. Endlich eine Reihe der großen Ven zianer: man denke nur an Giorgione's Malteserritter in den Uffizien, an Pall vecchio's ideal angehauchte, manchmal, wie gesagt, ganz zu Idealen werden! Frauenbildnisse, an seines Schülers Cariani Bildnißdarstellungen, zu denen Morel auch das sogenannte Fuggerbildniß der Münchener Pinakothek zählt, an Lorenz Lotto's sinnig gesehene, malerisch erfaßte, von wunderbarem Lichtglanz umspiel Halbfiguren, an Paris Bordone's frische, rothwangige Frauen-, an Moretto geist- und würdevolle Männergestalten!
Einige Meister widmeten sich übrigens schon in der ersten Hälfte des Ich Hunderts, wenn sie auch nicht verschmähten, gelegentlich Geschichtsbilder zu mal« mit solcher Vorliebe dem Porträtfache, daß sie der Nachwelt in erster Linie al Bildnißmaler erscheinen. Hierher gehört Andrea del Sarto's schon 1517 gesll bener Schüler Dom. Puligo, den man „einen der frühsten Bildnißmaler m Beruf" genannt hat, wenngleich seine Bildnisse meist unter fremdem Namens halten zu sein scheinen. Hierher gehört Jacopo Carucci, genannt Pontor« (1494—1557), dessen klar und bestimmt gezeichneten, lebendig angeordneten Bil! nissen, die oft mit denjenigen seines Schülers Bronzino verwechselt wurden, m in den meisten großen Sammlungen Europas begegnet. Hierher gehört in di fiorentinischen Schule vor allen Dingen Angelo Bronzino selbst, der freilich