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Deutsche Rundschau.
gewählt. Denn durch die lange Verfolgung war die Geistlichkeit mürbe genug gemacht, um für den Preis der Anerkennung oder auch nur der Duldung sich jedes Eingreifen der Staatsgewalt gefallen zu lasten. Was aber hat der Kaiser gethan, um diese Stimmung zu benutzen? Gleich nachdem er sich zuerst zum Christenthum bekannt hatte, rief eine kirchliche Partei in Afrika, die später den Namen der Donatisten erhielt, feine Macht an, um einen ihr mißliebigen Bischof vom Stuhle zu Karthago zu verdrängen und statt seiner den ihr genehmen Candidaten einzusetzen. Die Einmischung des Kaisers in innere kirchliche Angelegenheiten wurde also von den Christen selbst herausgefordert, und obgleich sie der religiösen Anschauung damals aufs Aeußerste widersprach, wagten doch auch die Gegner der Donatisten nicht, dem Spruche des Herrschers, dessen freundliche Gesinnung sich eben erst kundgegeben hatte und durch jeden Widerstand verscherzt werden konnte, ihre Unterwerfung zu versagen oder gar seine Kompetenz anzufechten. Constantin aber hielt sich strenger an die Lehren des Christenthums, als dessen berufene Vertreter. Er lehnte die Entscheidung ab und wies sie einer Synode zu. Von deren Spruch appellirten die Donatisten wieder an den Kaiser, und wieder berief dieser eine größere Synode, um das Verfahren der ersten zu prüfen. Erst als er zum dritten Male angerufen wurde, beendete er persönlich den Streit, doch sein Urtheil bestand lediglich darin, daß er die Entscheidungen der beiden Synoden aufrecht erhielt. War dies der Weg, sich die Kirche zu unterwerfen? Bei dem damaligen Gegensätze zwischen Christenheit und Staatsgewalt hatte sich die Lehre ausgebildet, daß es unchristlich sei, vor den weltlichen Beamten mit den eigenen Religionsgenossen Processe zu führen. Dieser Anschauung Rechnung tragend, verlieh Constantin den Bischöfen richterliche Gewalt, stellte ihnen die Staatsbeamten zur Exemtion ihrer Sprüche zur Verfügung und verbot noch dazu jede Appellation von ihrer Entscheidung an den Kaiser oder an seine Vertreter. Er emancipirte also die Kirche vom Staat, statt sie diesem dienstbar zu machen, d. h. er handelte Wie die Religion, nicht wie die Politik es vorschrieb. Die Ansicht, er habe die Kirche zu seinem Werkzeug machen wollen, beruht eigentlich nur daraus, daß er den großen Synoden von Arles, Nicäa und Tyrus theils selbst präsidirte, theils durch einen Vertreter präsidiren ließ. Aber durch Versammlungen, die alle zehn Jahr einmal und mitunter noch seltener vorkamen, ließ sich die kirchliche Gewalt doch nicht consequent und wirksam handhaben. Dazu hätte es dauernder oder in ganz kurzen Zwischenräumen sungirender Organe bedurft, z. B. staatlich ernannter Aussichtsbeamten über die Bisthümer, denen die Kirche, durch die Verfolgung eingeschüchtert, damals den Gehorsam gewiß nicht versagt hätte. Aber an so etwas hat Constantin niemals gedacht.
Ferner hat man zu Gunsten jener Ansicht angeführt, daß der Kaiser in seinen letzten Jahren in die kirchlichen Streitigkeiten thätig Angriff und mehrere dissentirende Geistliche in die Verbannung schickte. Aber damit brachte er eines- theils nur die Beschlüsse der Synoden zur Vollziehung, anderentheils erfüllte er staatliche, nicht kirchliche Pflichten. Es ist dafür charakteristisch, daß die Verbannung des Athanasius vorzugsweise durch die Anklage bewirkt wurde, er habe den Alexandrinischen Pöbel veranlaßt, die Kornzufuhren, welche für die Ernährung