Heft 
(1891) 67
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Die Bekehrung Constantin's des Großen.

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Constantinopels unentbehrlich waren, zurückzuhalten. Wo zwei Bischöfe ver­schiedener Confessionen vorhanden waren, da kam es unfehlbar zwischen ihren Anhängern zu Tumulten und Straßenkämpfen, nach denen mitunter Hunderte von Leichen das Pflaster bedeckten. Es war also Pflicht des Kaisers, hier Ruhe zu schaffen, und er that es in der mildesten, ja eigentlich in viel zu milder Form, indem er den Führer der einen streitenden Partei aus der Stadt, in welcher er seine Knittelarmee besaß, einfach wegschaffte.

Also weltliche Rücksichten im heutigen Sinne haben Constantin sicher nicht bestimmt. Trotzdem möchte ich seine Bekehrung auch nicht auf eine tiefinner­liche Wirkung des Christenthums in seinem Gemüthsleben zurückführen. Aber es gibt weltliche Rücksichten, welche nicht auf die Wirklichkeit, sondern aus Mächte der Einbildung genommen werden; heute erkennen wir sie nicht mehr an, aber stark waren sie zu allen Zeiten und haben in den tiefer stehenden Schichten der Gesellschaft auch jetzt ihre Macht nicht eingebüßt. Constantin hatte seine Jugend im Feldlager verbracht und ist sein Lebenlang Soldat geblieben. Seine geistige Bildung war höchst gering; wenn er trotzdem die glänzendsten Lichter der Kunst und Philosophie, wie den Neuplatoniker Sopatros, an seinen Hof zog, so geschah dies eben nur, weil er Unterstützung der Künste und Wissenschaften für Herrscher­pflicht hielt. Aber von dem aufgeklärten Monotheismus der philosophischen Schule, welchen die Modernen ihm zuschreiben, ist seine Seele ganz gewiß un­berührt geblieben. Viel eher dürfen wir bei ihm den rohen Aberglauben des Landsknechts erwarten, der sich durch Amulette kugelfest macht und bald mit Gebeten, bald mit Teuselsbeschwörungen das Glück an seine Fahnen bindet.

Die Heidengötter waren für die Christen jener Zeit keine wesenlosen Phantasie­gebilde. Daß Apollo die Zukunft weissagen könne und Aesculap ebensogut Krankenheilungen vollbringe, wie die Gebeine der Märtyrer, hätte damals kein Bischof geleugnet. Man erblickte in ihnen Dämonen und Teufel, deren Macht zwar der des höchsten Gottes weit nachstand, aber an sich keineswegs verächtlich war. Der Streit der beiden religiösen Parteien drehte sich also nicht darum, ob die heidnischen Götter oder der christliche Gott mit seinem Sohne wirklich existirten, sondern darum, in wessen Hand die Weltregierung ruhe. Die Philosophen und einige wenige christliche Lehrer dachten freilich anders und höher, aber im Gehirn der Massen gestaltete sich der Gegensatz der Religionen wesentlich zu einer Machtfrage ihrer Götter. Die Heiden Eunapius und Zosimus führten aus der Geschichte den Beweis, daß, seit man sich von Jupiter abgewendet habe, alles Unheil über das Reich hereingebrochen sei, weil die alten Götter zürnten und die neuen nicht im Stande seien, die Folgen dieses Zornes abzuwehren. Orosius trat den Gegenbeweis an, daß schon unter der Herrschaft des Heiden­thums Blut und Thränen im Uebermäße geflossen seien und folglich auch Jupiter und seine Genossen ihre Ohnmacht gezeigt hätten. Und diese Beispiele stehen nicht vereinzelt da, sondern in tausend Variationen wird immer bald von der einen, bald von der andern Seite das Argument der Macht ins Feld geführt. Daß es auf einen Soldaten und Herrscher eine ganz besondere Wirkung aus­üben mußte, ist begreiflich. Es ist daher nicht Zufall, daß sich der Uebertritt