Heft 
(1891) 67
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Die Bekehrung Constantin's des Großen.

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Zum dritten Male hatte Maxentius eine schwere Gefahr zu überwinden. Sein Vater selbst, auf dessen Ansehen seine eigene Macht ausschließlich beruht hatte, versuchte den aufsässigen Sohn des Purpurs zu entkleiden und die Soldaten gegen ihn aufzuwiegeln. Aber unterdessen hatte sie dieser durch unsinnige Ver­schwendung in Geschenken und Festlichkeiten aller Art schon so weit gewonnen, daß sie der Versuchung Widerstand leisteten. Maximian mußte aus Rom fliehen, und sein Sohn blieb unbestrittener Herrscher. So hatte sich die Macht seiner Götter wunderbar an ihm bewährt. Obgleich ihn von den andern Kaisern nicht ein einziger anerkannte, wagte sich doch auch keiner mehr an ihn heran. Er galt als unangreifbar und spottete seiner ohnmächtigen Gegner.

Da suchte er selbst Händel mit Constantin, um dessen Reichstheil an sich zu reißen. Vergeblich waren alle Verhandlungen und Anerbietungen; der Krieg ließ sich nicht vermeiden. Zu keiner andern Zeit hätte er dem Beherrscher Galliens ungelegener kommen können. Denn eben rührten sich wieder die Germanen, und Constantin war zu pflichttreu, als daß er die Grenzen des Reiches entblößt hätte, um seinen persönlichen Gegner mit ganzer Macht bekämpfen zu können. Kaum ein Viertel seines Heeres, im Ganzen etwa 25 000 Mann, durfte er ohne Gefahr für die Rheingrenze gegen Maxentius verwenden, der ihm mehr als die fünffache Uebermacht entgegenstellen konnte. Constantin's Officiere waren voll Furcht; alle riethen sie zur Vermeidung des Krieges, und gern wäre der Kaiser ihnen gefolgt, wenn nur sein Gegner es erlaubt hätte. Auch die Opfer­schauer erklärten, daß die alten Götter ihm Unheil bereiteten; da faßte er den ersten Entschluß, sein Heil bei den neuen zu versuchen, und ries Bischöfe an seinen Hof, um sich über die christliche Religion, die ihm übrigens schon vorher nicht ganz fremd gewesen war, belehren zu lassen. In stürmischer Offensive überranute er dann die vereinzelten Heerestheile, welche ihm Maxentius nach Oberitalien entgegengeschickt hatte. Aber auch diese waren schon so stark, daß sie ihm sehr viel zu schaffen machten, und hinter ihnen stand in Rom noch immer eine Macht von etwa 100 000 Mann. Wenn bei der schweren und langwierigen Belagerung von Verona nur ein Drittel davon zum Entsatz herangerückt wäre, so hätte Constantin verloren sein müssen. Tag für Tag erwartete der Kaiser sein Verderben, aber obgleich der Erfolg, auch ohne daß seine Gegner aus Rom Hülfe erhielten, mehrmals an einem Faden hing, blieb er doch immer Sieger. Die Weissagungen der Opferschauer wurden zu Schanden, und die Gebete seiner Bischöfe erwiesen sich als wirksam.

Wenn Maxentius seine Hauptmacht nicht feige hinter den Befestigungen Roms geborgen hätte, so wäre Constantin die Eroberung Oberitaliens niemals gelungen. Was aber im ersten Theil des Feldzuges die unerläßliche Bedingung des Erfolges gewesen war, ließ den zweiten Theil, der jetzt bevorstand, so gut wie hoffnungslos erscheinen. Mit 25000 Mann 100000 zu besiegen, ist in offener Feldschlacht sehr schwer, aber unter besonders günstigen Bedingungen nicht un­möglich. Liegt dagegen eine solche Ueberzahl hinter den Mauern einer festen Stadt, so muß selbst der Versuch eines Angriffs als Wahnwitz erscheinen. Daß Maxentius, nachdem er sein Land schutzlos dem vordringenden Feinde preisgegeben hatte, durch eine Schlacht die Mauern Roms schützen werde, welche sich schon selbst genügend