Heft 
(1891) 67
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Tie Bekehrung Constantin's des Großen.

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die Christenverfolgung gesehen und den Muth der Märtyrer bewundert. Er hatte erlebt, daß von dem Augenblick ihres Beginnes das Glück, welches früher die Regierung Diocletian's begleitet hatte, von ihm gewichen war. Schwere Krank­heit des Herrschers, innere Zerrüttungen und Bürgerkriege waren sich Schlag auf Schlag gefolgt. Von den Urhebern der Verfolgung schleppte nur noch Diocletian ein sieches Dasein hin, um alle Früchte seiner Lebensarbeit um sich her untergehen zu sehen; Maximian hatte durch schmählichen Selbstmord geendet, Galerius durch eine Krankheit von unsäglich schmerzvoller und ekelhafter Art, die ihm noch kurz vor seinem Tode den Glauben aufdrängte, daß der angefeindete Christengott an ihm seine Macht bewiesen habe. Gallien, welches nie von der Verfolgung ernstlich berührt worden war, hatte allein von allen Reichstheilen bis jetzt einer vielbeneideten Ruhe genossen. Sollte dies nicht in Constantin die Ueberzeugung erwecken, daß der Gott der Christen über alle Heidengötter, welche seine Verfolger so eifrig verehrt hatten, Gewalt besitze? Bei seinem Auszuge aus Gallien hatten ihm die Opferschauer Unheil geweissagt, aber die Bischöfe waren ihm vertrauensvoll gefolgt, und unerhörtes Glück hatte ihn bisher be­gleitet. Da konnte er Wohl auf den Gedanken kommen, auch bei dem letzten schwersten Kampfe gegen den Liebling der Dämonen die Macht des neuen Gottes aufzubieten und sich zu diesem Zwecke ganz in seine Dienste zu stellen. Ueber Severus, Galerius und Maximian, die selbst Dämonendiener waren, hatten die Opfer und Spenden des Maxentius Gewalt gehabt; es lohnte Wohl den Versuch, ob sie auch einem Christen gegenüber ihre Macht bewährten. Was aber den wachenden Geist erfüllt, das geht auch in die Träume über, und in der körper­lichen Erscheinung, mit welcher sie den Gedanken umkleiden, gewinnt er den Charakter göttlicher Offenbarung. So zog der Kaiser blindlings seinem Sterne nach; er wußte, daß er siegen werde, nicht weil dies nach menschlicher Berechnung wahrscheinlich oder selbst nur möglich gewesen wäre, sondern weil seine Soldaten das Monogramm Christi auf ihren Schilden trugen und, wie die Stimme eines Höheren verkündet hatte, an dieses Zeichen der Sieg geheftet war. Und seine heidnischen Landsknechte sahen vertrauensvoll auf den neuen Schmuck ihrer Waffen, dessen Bedeutung sie kaum begriffen. Er erschien ihnen als ein magisches Mittel, an dessen Wunderkrast sie nicht zweifelten, da ihr großer Führer auch unter den schwersten Verhältnissen immer siegreich gewesen war. Und auch diesmal ließ sein Vertrauen das Glückskind nicht zu Schanden werden, und das ganz Unerwartete, ja fast Unglaubliche geschah.

Bis zum letzten Augenblick hatte Maxentius an dem Plane festgehalten, den Angriff seines Feindes an der Aureliansmauer zerschellen zu lassen. Plötzlich schlug sein Entschluß um. Am 26. October 312 verließ er mit seiner Familie das Palatium und siedelte in eine Privatwohnung über; ein Traum hatte ihm ver­kündet, daß er am bisherigen Orte seiner Freuden und Erfolge nicht mehr ver­weilen dürfe. Er ließ die sibhllinischen Bücher befragen und erhielt die Antwort, am Feste seines Regierungsantritts, das in zwei Tagen bevorstand, werde der Feind Roms ein schreckliches Ende finden. Da ein so schneller Erfolg bei einer Belagerung unmöglich eintreten konnte, so combinirte der Abergläubische diese Prophezeiung mit der Weisung des Traumes, daß er seinen Wohnsitz verlassen

Deutschs Rundschau. XVII, 7. 6