Heft 
(1891) 67
Seite
82
Einzelbild herunterladen

!

82 Deutsche Rundschau.

solle, und beschloß vor die Thore der Stadt hinauszuziehen und am Glückstage des 28 . October eine Schlacht zu liefern. So thaten jbeide Gegner das denkbar Unzweckmäßigste, weil beide sich nicht durch klugen Rathschlag und strategische Erwägung, sondern durch Träume und Zeichen leiten ließen. Wer jetzt den Sieg gewann, der gewann ihn nicht nur für sich, sondern vor Allem für seine Götter.

Um die großen Massen, welche ihm zu Gebote standen, schneller an den Feind zu bringen, ließ Maxentius neben dem steinernen Pons Milvius (jetzt Ponte Molle) eiligst eine Schiffbrücke schlagen; dann führte er sein Heer über , den Tiber und ließ es etwa eine Meile stromaufwärts Vorgehen, bis die Spitze ^

Saxa Rubra, das heutige Prima Porta, erreichte. Hier, wo die Flaminische !

Straße aus der Enge hervortritt, welche rechts durch den Fluß, links durch eine Kette steil abfallender Berge gebildet wird, fand er seinen Vormarsch wahr­scheinlich schon durch den Feind gehindert, als die Nachhut seiner langen Colonne, bei welcher der Kaiser selbst sich befand, kaum die Brücken überschritten hatte.

Die Heere standen sich jetzt in einer Stellung gegenüber, welche die Möglichkeit eines erfolgreichen Kampfes aus beiden Seiten ausschloß. Versuchte Maxentius unter den Augen der feindlichen Armee aus dem engen Passe zu debouchiren, so war seine Niederlage gewiß; aber auch Constantin konnte auf der Flaminischen j

Straße, welche durch hunderttausend Soldaten gesperrt war, nicht weiter Vordringen.

Es ist ein Verdienst, das ihn seines Glückes würdig zeigt, wenn er nicht wie sein Gegner zaudernd stehen blieb, sondern schnell entschlossen einen Ausweg suchte und fand. Eine kleine Schar zurücklassend, welche zur Schließung des Passes eben genügte, führte er sein Heer ohne Weg und Steg über den Rücken der j

Hügel Weg, unter deren schroffem Absturz seine Feinde standen. Diesen un­erreichbar, zog er an ihrer Flanke hin, bis er auf die Cassische Straße gelangte, I

Welche, von Nordwesten kommend, bei der Brücke in die Flaminische einmündet.

Zu beiden Seiten derselben dehnt sich ein sanftes Hügelgelände aus, gerade breit genug, um Constantin die Entwicklung seiner Schlachtordnung zu gestatten, gerade schmal genug, um seinem kleinen Heere rechts und links durch steile Abhänge die nöthige Flankendeckung zu bieten. Hier nahm er Aufstellung den beiden Brücken -gegenüber, deren Besitz das Ziel des Kampfes sein mußte; denn gelang es ihm, sie in seine Gewalt zu bringen, so sah sich Maxentius, dem der Vormarsch in den Pässen von Saxa Rubra schon gesperrt war, auch im Rücken abgeschnitten !

und mußte sich mit seinem ganzen Heere ergeben. Als dieser den Feind plötzlich in der Flanke seiner Nachhut ausmarschiren sah, konnte er ihm die Schlacht nicht mehr verweigern, da angesichts des kühnen Gegners ein Rückzug über die schmalen Brücken unausführbar war. So wußte er keinen anderen Rath, als stehen zu bleiben, wo er war, und die linke Seite seiner Marschcolonne einfach in die Front der Schlachtordnung zu verwandeln, wodurch die Vorhut bei Prima Porta zum rechten Flügel, die Nachhut, welche noch immer vor den Brücken stand, zum linken wurde. Auf diese Weise blieb aber ein großer Theil seines Heeres zwischen Berg und Fluß eingeklemmt und sah sich jeder Möglichkeit beraubt, an den Feind heranzukommen. Zwar blieb, auch wenn nur sein linker Flügel zum Schlagen gelangte, seine Uebermacht immer noch erdrückend, aber selbst diese sollte ihm zum Verderben gereichen. Denn auf dem engen Raume