Issue 
(1891) 67
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Die Bekehrung Constantin's des Großen.

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konnte er sie nicht anders verwerthen, als indem er die Rotten so tief stellte, daß die hinterste Reihe bis unmittelbar an den Fluß heranreichte. So mußten die Soldaten bei jedem auch nur zeitweiligen Zurückweichen, wie es in einer großen Schlacht ja kaum zu vermeiden ist, in den Tiber gedrängt werden, dessen braune Fluthen, von den Herbstregen geschwellt, in wilden Strudeln dahinschossen. Hoch Zu Rosse und mit den Abzeichen der Kaiserwürde geschmückt, so daß er weithin kenntlich war, stürzte sich Constantin selbst, seinen Reitern voransprengend, auf die dichten feindlichen Massen. Gleich der erste Anprall brachte die vordersten Reihen ins Wanken; um nicht ins Wasser zu stürzen, drängten die hintersten vor, und es entstand im Heere des Maxentius die furchtbarste Verwirrung. Noch kämpften die Prätorianer für den Kaiser, welchen sie gemacht hatten, mit wilder Verzweiflung; wo sie standen, da fielen sie. Aber diese heldenmütige Aufopferung konnte das Verhängniß nicht abwenden. Die große Masse drängte angstvoll nach den beiden Brücken hin, deren Enge ihre ungeheure Zahl nicht zu fassen vermochte. Da noch dazu die eine, welche erst ganz kurz vorher eilig und schlecht hergestellt war, unter dem Gewicht der Rettung Suchenden zusammen- Lrach, wurde der ganze linke Flügel in den Fluß gesprengt. Der rechte stand unterdessen unberührt, aber völlig machtlos in seinen Engen, deren Auswege ihm jetzt nach beiden Seiten versperrt waren; ihm blieb nichts übrig als bedingungs­lose Uebergabe, um so mehr als jeder weitere Kampf gegenstandslos geworden war. Denn unter dem Gewühl von Männern und Rossen, das sich mit dem Tode ringend in den lehmigen Fluthen wälzte, war auch der Usurpator selbst verschwunden. Am anderen Tage wurde seine Leiche ausgesischt und überzeugte alle seine Anhänger, daß ihnen in der Gnade des Siegers die einzige Hoffnung geblieben war.

Der Sieg war ebenso schnell wie vollständig gewesen; ein einziger, Alles vor sich niederwerfender Ansturm auf die Brücken hatte die Schlacht begonnen und beschlossen. In ein paar Stunden hatte sich ein Ereigniß vollzogen, das der Weltgeschichte auf Jahrtausende ihre Bahnen vorzeichnen sollte. Denn was der 28. Öctober des Jahres 312 entschied, war nicht die Herrschaft Constantin's über Italien diese bedurfte noch eines neuen schweren Kampfes, Wohl aber der Sieg des Christenthums im römischen Reiche. Seine unmittelbaren Erfolge, so groß sie auch waren, wurden an historischer Bedeutung weit übertroffen durch die psychologische Wirkung, welche er auf den Sieger ausübte. Daß die Dämonen, zu welchen Maxentius gebetet hatte, so stark sie auch waren, vor der Macht des höchsten Gottes nichts vermöchten, das hatte die Schlacht an der Milvischen Brücke für Constantin unzweideutig erwiesen. Durch ein Wunder war sein Feind aus den sicheren Mauern Roms herausgescheucht worden, und das Zeichen Christi auf den Schilden seiner Soldaten hatte die übermächtigen Scharen der Gegner niedergeblitzt. Wer konnte da zweifeln, wem die Ehre des Sieges gebühre? Es heißt, daß Constantin sich auf das Kreuz gestützt, auf einem öffentlichen Platze der Hauptstadt habe darstellen und durch die Inschrift des Standbildes der Welt verkünden lassen, dies heilbringende Zeichen habe Rom befreit. Jedenfalls war nach dem Siege eine seiner ersten Regierungshandlungen, daß er die christliche Priesterschast von allen municipalen Lasten befreite, ihren

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