Issue 
(1891) 67
Page
99
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image

Aus Karl Friedrich Reinhard's Leben.

99

Der neue Posten Reinhard's war von Wichtigkeit, zumal in dem Zeitpunkte, w dem er ihn antrat. Eben jetzt begann der Krieg der Coalition aufs Neue. Norddeutschland lag außerhalb des Kriegsschauplatzes; doch wie die verabredete Demarcationslinie sich im Kriegsfälle bewährte, das mußte sich erst zeigen. Zu­nächst beruhte sie auf einem vorläufigen Abkommen, das von den Kriegführenden wenig geachtet wurde. Gleich in der ersten Zeit kamen Verletzungen von Seiten der Oesterreicher, wie von Seiten der Franzosen vor. Es bedurfte noch genauerer Festsetzungen, und diese stießen auf Schwierigkeiten. Zwar Preußen hatte den eifrigen Wunsch, das Friedenssystem, zu dem es für sich entschlossen war, bald­möglichst auch für die anderen norddeutschen Staaten sicherzustellen. Auf sein Andringen wurden alle kriegerischen Anstalten, die England aus hannoverschem Boden betrieb, eingestellt. Allein der Stein des Anstoßes war eben der, daß Hannover, dessen Kurfürst der König von England war, innerhalb der Neu- Iralitätslinie lag. Auch Frankreich hatte ein starkes Interesse daran, daß Preußen dem Kriege fern blieb. Es warb um die Freundschaft des Berliner Cabinets, es kam seinerseits den preußischen Wünschen entgegen, aber doch nur so weit, als es seinen Zwecken nicht hinderlich war. Wenn es zur Neutralisirung Nord­deutschlands sich verstand, so wollte es doch freie Bewegung für seine kriegerischen Pläne behalten. Es war nicht gemeint, durch den eingegangenen Vertrag sich im Kampf gegen England die Hände zu binden. Das Directorium weigerte sich deshalb, die Neutralität Hannovers anzuerkennen. Es sprach geradezu sein Er­staunen aus, daß Preußen ihm eine solche Zumuthung mache. Sein unausgesetzt verfolgtes Ziel war, England vom Festland zu isoliren, es womöglich auch in Hannover zu bekämpfen, ihm die deutschen Strommündungen zu verschließen. Und hier war nun eben Hamburg für die französische Diplomatie ein wichtiger Beobachtungsposten.

Hamburgs Handel hatte durch die französische Umwälzung einen ungeheueren Aufschwung genommen. Seit dem Falle Amsterdams war es der erste Handels­hafen auf dem Festlande. Je länger der Krieg dauerte, um so mehr drängten sich nach diesem Zwischenmarkte die Maaren der englischen Industrie, wie die Erzeugnisse der englischen Colonien. Ein ungeheurer Reichthum strömte den Handelshäusern und durch diese der ganzen Bürgerschaft zu; der Unternehmungs­geist ging in hohen Wellen und die ängstliche Sorge des Gemeinwesens war, durch den Krieg diese steigende Wohlfahrt nicht unterbrochen zu sehen. Mit aller Welt im Frieden zu leben, war der höchste Wunsch. Die Volks- und Gesellschastslieder, wie sie zu Ende des Jahrhunderts in Hamburg gesungen wurden, stießen über von begeisterten Lobpreisungen des Friedens; der Krieg aber wird herzlich verabscheut:

Er störet die Geschäfte,

Bringt Schaden statt Gewinn,

Schafft Mißmuth, raubt des Lebens beste Kräfte,

Führt zur Verzweiflung hin w-9-

Wie aber dann, wenn das deutsche Reich im Kriege sich befand? Durften die Hansestädte, die Glieder des Reiches waren, freien Handel auch mit dem

9 H. R. Ferber in Koppmann: Aus Hamburgs Vergangenheit, S. 33.