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(1891) 67
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Deutsche Rundschau.

Feinde treiben? Ihre Pflicht wies sie zum Reiche, ihr Interesse forderte Neutralität. Wie dieser Widerstreit zu lösen sei, das hat die Staatsmänner und die Publizisten in und außerhalb der Städte in diesen Jahren auf das Lebhafteste beschäftigt. Im Reiche sah man mißgünstig auf das Bestreben der Städte, sich von ihrer patriotischen Pflicht loszusagen. Schlözer in Göttingen schrieb in seiner derben Sprache entrüstet:Ist Hamburg deutsch? so muß es an Deutschlands Schicksalen Theil nehmen. Jndeß nun der Feind den Nassauer, den Franken fast aufs Blut quält, ihm seine Kirchen beraubt, seinen Töchtern Gewalt anthut, commersirt der Hamburger mit diesem unmenschlichen Feinde, verschafft ihm dadurch Mittel, seine Unmenschlichkeiten sortzusetzen, fordert guam äo fürs Neutralität. Ist das, ich will nicht sagen. Recht, sondern nur üounötstö, Lebensart? . .. Pfui, der kaufmännische Schmu! Kein Funke von Moralität!" Andrerseits suchten die Wortführer der Städte zu beweisen, daß es mit der Reichspflicht Wohl vereinbar, diesen Handelsplätzen eine Ausnahmestellung zu ge­währen, die für das ganze Reich vortheilhaft sei. Wie würde es um die Geld­geschäfte Deutschlands stehen, konnte der Professor Büsch mit Grund einwerfen, wenn Hamburg in Kriegsgefahr geriethe und der Glaube an die Sicherheit seiner Bank erschüttert würde? In der That war man bis zu einem gewissen Grade geneigt, die besondere Lage der Hansestädte anzuerkennen und deren höchstes Gut, die freie Handlung, unangetastet zu lassen. Die Hamburger konnten sich auf frühere Fälle berufen. Im dreißigjährigen und noch im siebenjährigen Kriege hatte man es ihnen nicht schwer gemacht, ihre Handelsintereffen mit ihren Reichspflichten in Einklang zu bringen und auch während eines Reichskriegs die Beziehungen zu allen handeltreibenden Staaten fortzusetzen. Allein ganz anders stand es doch seit dem Ausbruch der Coalitionskriege. Jetzt befand sich das Reich in einem Kampfe, in dem für seine Glieder ein Kompromiß zwischen Reichspflicht und Welthandelsinteresse unmöglich schien. Nicht mehr um Aus­kunftsmittel für den Tag handelte es sich, sondern um eine grundsätzliche Ent­scheidung. Die ganze Zukunft der Städte stand auf dem Spiel. Sie selbst glaubten sich diese Zukunft zu sichern, wenn es ihnen gelang, durch völkerrecht­liche Vereinbarungen ihre Neutralität oder doch die ihres Handels in künftigen Reichskriegen für immer sicherzustellen. Seitdem Preußen die Waffen nieder­gelegt hatte, schien auch der Reichsfriede in naher Aussicht, und man hoffte, daß bei diesem Friedensschluß Frankreich, seiner überlieferten Politik getreu, die Interessen der Hansestädte zur Geltung bringen werde. Schon vor Reinhardts Ankunft waren Verhandlungen zu diesem Zwecke mit Frankreich angeknüpft, die aber keinen rechten Fortgang nehmen wollten. Nun konnte ihnen die Ankunft eines Gesandten der Republik nur förderlich sein, der persönlich die günstigste Meinung vom idealen Berufe des einstigen Hansebundes mitbrachte und in der Republik die natürliche Beschützerin aller freien Staaten sah. Die Städte hatten auch noch andere Wünsche. Sie waren in beständigen Streitigkeiten mit den Bischöfen emporgekommen, und nun übten die benachbarten weltlichen Dynasten, in deren Hände die Bisthümer gelangt waren, noch immer gewisse Rechte auf dem Boden der Städte aus, die diesen lästig waren; Ueberreste des Feudalismus, für deren Beseitigung man gleichfalls auf den Beistand der

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