Issue 
(1891) 67
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Deutsche Rundschau.

Kerner aber schlug ihm jetzt vor, gleichfalls sein Glück im diplomatischen Dienste zu versuchen. Er gewann die Unterstützung Reinhard's sür seinen Plan, und schon im Anfang des Jahres 1796 traf Reinhold wirklich in Hamburg ein; er War zum Legationssecretär des batavischen Gesandten Abbsma ernannt worden. Reinhold schrieb zweiundvierzig Jahre später, nach Reinhard's Tode, an den Baron I. H. von Wessenberg:Im Januar 1796 kam ich als holländischer Legationssecretär nach Hamburg, wo Reinhard seit einigen Monaten Gesandter der französischen Republik war- Er hatte zufällig zu meiner Hieherberufung bei­getragen, und mein bester Freund war in seinem Hause Privatsecretär, von ihm geschätzt und geliebt. Auch mich behandelte er von Anfang an mit Güte, obwohl der Unterschied des Alters und der Verhältnisse und seine schweigsame Innerlichkeit eine Annäherung nicht begünstigte." Erst in späteren Jahren ist theils durch wiederholte Begegnung, theils durch Briefwechsel eine engere Freund­schaft zwischen Reinhard und dem in der holländischen Diplomatie verbliebenen Reinhold geknüpft worden.

Die hannoverschen Dinge zu überwachen, war Reinhard in seinen geheimen Weisungen besonders aufgefordert. Seinem Wunsche hätte es entsprochen, auch bei der Regentschaft in Hannover beglaubigt zu werden; doch waren die Pariser Machthaber anderer Ansicht: sie wollten die Frage der Neutralität Hannovers offen lassen. Hier auf dem Festlande schien das zur See unangreif­bare England allein verwundbar, hier hoffte man ein Unterpfand sür die in Westindien verlorenen Inseln zu erlangen.

Reinhard erhielt am 20. Januar 1796 die förmliche Weisung, der Annahme, als ob zwischen der Republik und dem Kurfürstenthum Hannover Friede bestehe, laut zu widersprechen. Anfangs Februar reichte er auf Verlangen des Directoriums eine ausführliche Denkschrift über die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Verhältnisse Hannovers ein, worin die Vertheidigungsmittel des Landes als un­erheblich, die Gesinnungen der Bevölkerung als sreiheitliebend, den Ideen der französischen Revolution geneigt, geschildert wurden. Der hannoverschen Regierung wurde ausdrücklich bezeugt, daß sie seit vier Monaten Neutralität beobachtet habe. Dennoch verbreiteten sich schon jetzt Gerüchte, daß die Franzosen durch das Han­noversche Vordringen wollten, um den Kamps gegen England in die Elbe- und Wesermündungen zu verlegen. Reinhard selbst gab in einer Depesche vom 4. März zu bedenken, ob nicht eine Besetzung Hannovers zu empfehlen sei, die, wenn sie auch nicht von Dauer, dem englischen Handel empfindlichen Schaden beibringen könne, indem sie ihn von Elbe und Weser absperre. So dauerte der Streit zwischen Frankreich und Preußen über die Demarcationslinie fort, und dies war nun auch von Einfluß aus die Stellung Reinhard's, dessen Anerkennung als Gesandter in Hamburg noch schwebte.

Das Beglaubigungsschreiben, das Reinhard nach Hamburg brachte, war noch vom Wohlfahrtsausschuß ausgestellt. Inzwischen war die neue Verfassung fertig geworden und Ende des Jahres 1795 in Kraft getreten. Aus den Parteikämpfen des ausgehenden Convents waren zuletzt die Anhänger einer revolutionären Er­oberungspolitik siegreich hervorgegangen. Ihr gehörten die Männer an, aus denen jetzt die Directorialregierung bestellt wurde. Für die auswärtige Politik