Aus Karl Friedrich Reinhard's Leben.
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War Reubel, der unternehmende geldgierige Elsässer, der einflußreichste der Direc- toren: unter ihm stand der Minister Delacroix, der vor Begierde brannte, Europa zu republicanisiren, übrigens ein unwissender und durchaus unfähiger Mensch. Nun erhielt Reinhard am 26. December 1795 vom DirectoriumZ ein neues Beglaubigungsschreiben, und zu seiner Ueberraschung war die Weisung beigefügt, dasselbe dem Senat zu überreichen und, wenn es nicht angenommen würde, die Stadt zu verlassen. Der Senat gerieth dadurch in große Bedrängniß. Wenn er den Gesandten annahm, war dies eine Verletzung der Reichspslicht, und in Hamburg dachte man in dieser Hinsicht streng, strenger als in Bremen; auch ließ der kaiserliche Geschäftsträger Drohungen fallen, und die preußische Vermittlung scheute man sich anzurufen, aus Furcht vor den üblen Folgen, welche die Annahme dieses Schutzherrn für die Freiheit haben könnte. Die preußische Regierung war zudem wenig geneigt, für Reinhard's Anerkennung thätig zu sein, so lange wegen der Demarcationslinie noch kein Einvernehmen erzielt war. Zunächst wollte der Senat Zeit gewinnen, und dies wurde durch Reinhard's Benehmen erleichtert, der aus persönlichen Gründen die Weisung seiner Regierung bedauerte und sie auch nicht im Interesse Frankreichs gelegen hielt. Seine Vorstellung an das Directorium fand aber keine Berücksichtigung, und da er bereits Schwierigkeiten in seiner Stellung als Deutscher fand — ein Franzose in Hamburg verdächtigte ihn öffentlich sowohl als beim Directorium — so überschickts er endlich am 21. Januar 1796 sein Beglaubigungsschreiben dem Senat. Er that es in Formen, die immer noch einen Aufschub ermöglichen sollten. Der Senat aber beschloß am 25. Januar, die öffentliche Anerkennung des Gesandten zu verweigern und begründete dies ausführlich in einer Denkschrift, die sich auf die Reichsverfassung stützte, zugleich aber einen Bruch abzuwenden suchte, der schlimme Folgen für Handel und Schiffahrt haben mußte, und mit großer Sympathie über Reinhard's Persönlichkeit sich aussprach. Das Directorium ließ sich durch diese Denkschrift nicht umstimmen. Reinhard erhielt am 27. Februar die Weisung, die Stadt jetzt zu verlassen. Er ging mit Zurücklassung seines Gesandtschafts- secretärs Lemaistre nach Bremen, wo er am 20. März eintraf.
III.
Für Reinhard war dieser Gang der Sache um so unerwünschter, weil er gerne in Hamburg sich befand: er hatte hier die freundlichste Aufnahme gefunden und in Kurzem lebhafte, ja vertraute Beziehungen in der Gesellschaft angeknüpft. Möglich, daß dem einstigen Mitarbeiter des Schwäbischen Musenalmanachs, dem Jugendgenossen Schiller's, Hamburg auch darum ein erwünschter Posten war, weil auf dieser Stadt der Glanz einer großen Literaturepoche ruhte. „Geht nach der Schweiz und dann nach Hamburg," hatte Schubart den jungen Genies unter seinen Landsleuten zugerufen. Noch lebte Klopstock, unter dessen Zeichen der schwäbische Lyriker seine Laufbahn begonnen hatte und durch dessen Vorbild er frühzeitig zur elegischen Versart hingezogen worden war — „es ist unglaublich, welchen Eindruck besonders auch die mir im deutschen noch ganz ungewohnte Versart auf mich machte." Dem Sänger des „Messias" bereitete jetzt seine zweite Frau einen behaglichen Lebensabend; schon bei Jahren,