Aus Karl Friedrich Reinhard's Leben.
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dem sich auch Reinhard bekannte, mit dem er sich durch die Schreckenszeit hindurch aufrechthielt, mit dem er jetzt sortsuhr, der Republik seine Dienste zu widmen? Er hatte hier einen Kreis von Gleichgesinnten gefunden, und bald sollte er mehr finden.
IV.
In den Briefen der Doctorin an ihren Bruder Hennings und an ihren Freund, den Freiherrn von Knigge, wird Reinhard von Anfang October an erwähnt: häufig und mit zunehmender Geneigtheit. Am 13. October schreibt sie an Knigge: „Dieser Reinhard ist ein Deutscher, worüber wir uns alle freuen, er scheint sehr vernünftig, kalt und ruhig, völlig seinem Amte gewachsen." Und am 1. December an denselben: „Der Herr Minister Reinhard scheint ein braver Mann zu sein, etwas kalt und rückhaltend, aber gewiß vom besten Wollen." Reinhard selbst schrieb am 1. December an den hamburgischen Bevollmächtigten in Paris, vr. Fr. I. Schlüter: „Als Minister in Hamburg bin ich so anhänglich an diese Stadt, als ein Minister der Republik es sein kann und darf. Als Privatmann habe ich noch mehr Gründe, diese Stadt zu lieben, die so viele durch ihren Patriotismus, ihre Einsicht und ihre Tugenden achtungswerthe Personen einschließt. Sie errathen, daß ich damit vornehmlich den reizenden Kreis der Familie Sieveking meine."
Im Reimarus'schen Hause hat die Abhandlung „Vom ewigen Frieden", die Kant, durch den Basler Frieden veranlaßt, zu Ende des Jahres 1795 veröffentlichte, die wärmste Zustimmung finden müssen. In den Kreisen der Doctorin ist öfters von dieser Schrift die Rede, die Abschaffung der stehenden Heere empfahl und in der Idee eines Weltbürgerrechts und eines Föderalismus freier Staaten gipfelte. Schien damit nicht das erlösende Wort in diesen bedrängenden Kriegszeiten ausgesprochen? Wie, wenn dieser Gedanke zu den Franken gebracht würde, dort die Köpfe ergriffe, dort heilsame Frucht schüfe? Kant selbst hatte den Wunsch, daß die Schrift, die nach einem übrigens falschen Gerücht in Berlin verboten wurde, zu Nutz und Frommen der Franken in deren Sprache übersetzt würde, und die Doctorin schrieb an den Philosophen Reinhold in Kiel: „Schön wäre es, bei einer Nation den ersten Funken von
einem Lichte hingetragen zu haben, das sie noch nicht kannte, und das bei ihrem
Feuersprühen ihr vielleicht allein die Leitung geben kann, die sie bedarf, um zur Pflicht, Gesetz und Ordnung zurückzukehren." Jetzt zeigte sich der französische Gesandte selbst bereit, diesen Wunsch zu erfüllen. Er beeilte sich fürs Erste, ein deutsches Exemplar nach Paris zu schicken, und machte sich auch gleich an eine
Uebertragung, die er nebst einer Vorrede an Sieyös sandte. Die Doctorin,
unter deren Augen die Uebersetzung entstand, schrieb von ihr, sie sei verständlicher und lesbarer als das Deutsche, und Manches sei weggelassen, was zu weitläufig war oder für Frankreich nicht paßte. „So ist sie wie ein Landeskind in Sieyss' Hände gekommen, der sie drucken lassen oder so behalten kann. Reinhard ist das ganz gleich, er wollte nur in die hellsten Köpfe dort einen Begriff bringen, wie unsere Philosophen die Sache ansähen und wie sie glaubten, daß nur in Republiken der Stoff zu dauerndem Glücke läge. Aus Siehäs' Antwort sieht man.