Aus Karl Friedrich Reinhard's Leben.
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Dieser aber hoffte gerade durch die Befreiung Lafahette's eine Stellung in der Welt zu erringen, und dann wollte er förmlich um die Hand Christinens werben. „Ich hatte mich ihr gebunden — sie war frei." Inzwischen besaß er an Christinens Schwester, der Frau Sieveking's, eine Vertraute und hülsreiche Freundin, die mit ihm im Briefwechsel blieb, als er im Januar 1794 von Hamburg zunächst wieder nach England zurückkehrte, um dann im Sommer dieses Jahres von Neuem nach Deutschland zu reisen und das Wagestück zu Lafayette's Befreiung auszuführen. Das Unternehmen, am 8. November wirklich versucht, ist bekanntlich mißlungen. Bollmann wurde ergriffen und bis Ende Juli 1795 selbst in Olmütz gefangen gehalten. Es war ausgemacht worden, daß er und Christine sich nicht schreiben sollten. Allein sein Unglück bewirkte, daß Christine sich über das Abkommen hinwegsetzte. Mit Wissen der Schwester und des Schwagers schrieb sie zweimal dem Gefangenen herzliche Trostesworte, und dieser war überglücklich. „Ich hatte in Gedanken Abschied von meiner Freundin genommen, wie man mich nach Olmütz brachte! Sie so wiederzusinden! Ich glaubte, ich sollte sterben vor Freude!" Sobald er frei war, eilte er nach Hamburg, doch hier hatte sich jetzt die Lage zu seinen Ungunsten verändert. Während seiner Gefangenschaft hatte Christine schwer gelitten: sie zürnte den Eltern wegen des Widerstandes, den sie dieser Verbindung entgegensetzten. Als sie aber Boll- mann's Befreiung erfuhr und damit der Sorge um ihn ledig war, faßte sie sich; sie konnte es nicht ertragen, die Eltern leiden zu sehen, und sie gab ihnen das Versprechen, nie eine Verbindung gegen deren Willen einzugehen. Dabei blieb sie auch, als Bollmann nun im October wieder kam, zu einer Zeit, da Reinhard bereits im Hause aus- und einging. „Eine unglückliche Verbindung von Umständen," schrieb Bollmann später aus London, „hat mich in Hamburg von dem Gegenstand gerissen, dessen Andenken, dessen Briese im Gefängniß mir Trost waren. Ob aus immer, aus wie lange, das weiß ich nicht! Sie glaubte sich ihrer Pflicht opfern zu müssen, und das kann ich nicht tadeln!" Und in einem gleichfalls von Bollmann selbst niedergeschriebenen Bericht wird erzählt: „Bollmann fand Christine liebevoll, aber kühl und ruhig, und fest entschlossen, durch unbedingte Unterwerfung unter den Willen ihrer Eltern die jüngste Verirrung ihres kindlichen Gefühls zu sühnen. Die Eltern erwiesen sich unerbittlich. Bollmann hatte eine letzte Unterredung mit Christine, ging auf kurze Zeit nach London und entschloß sich, nach Amerika zu gehen. Er segelte am 25. October von London ab und landete am 1. Januar 1796 in New-Pork. Einige Zeit nach seiner Ankunst zeigte ihm ein Brief von Christine Reimarus an, daß sie im Begriff stehe, ihre Hand dem Herrn Reinhard zu reichen, Gesandten der französischen Republik in Hamburg; diese Verbindung, fügte sie der Meldung hinzu, „werde ihre Eltern glücklich machen" H.
Wegen der schwebenden Anerkennungsfrage blieb die Verbindung noch hinausgeschoben. Als Reinhard nach Bremen ging, gab ihm die Doctorin einen Brief an den Freiherrn von Knigge mit — es war kurz vor dessen Tod —, Worin sie ihm schrieb: „Diesen Brief schicke ich mit einem Freunde, mit dem ich
0 Fr. Kapp, I. E. Bollmann, S. 256.