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Deutsche Rundschau.
ihn lieber nicht schickte, da ich ihn sehr ungern nach Bremen reisen sehe. Reinhard wird Ihnen sagen, warum er zu Ihnen kommt und daß unsere hochweisen Herren den Weg der Thorheit gehen. An den Gedanken, daß er gar nicht wieder nach Hamburg kommt, kann ich mich nicht gewöhnen, und wenn auch Bomben und Kanonen dazwischen kommen, so wollen wir keinen anderen Minister als Reinhard. Kommt nicht Frieden und macht Gott nicht gut, was der Rath verdorben hat, so wird es uns ziemlich übel ergehen." Der Brief war am 4. März geschrieben. Am 16. erhielt er noch eine Nachschrift: „Ich habe diesen Brief wieder aufgebrochen, weil Reinhard noch einige Tage Lei uns bleiben konnte. Nun muß er fort. Sieveking reiset nach Frankreich, soll alles vermitteln und gut machen — wird er es können?"
V.
Diese Sendung Sieveking's nach Paris war eben durch die Frage der Anerkennung des Gesandten der Republik veranlaßt. In Hamburg hatte die Abweisung Reinhard's durch den Senat eine große Aufregung hervorgebracht. Man fürchtete für den Schiffahrtsverkehr, fürchtete bereits den Anmarsch eines feindlichen Heeres. Flugschriften erschienen für und Wider. In der Bürgerschaft wurde die Handlungsweise des Senats keineswegs gebilligt. Um die staatsrechtlichen Bedenken kümmerte man sich wenig. „Behält Hamburg nur freie Handlung, so ist alles Narrensposse," schrieb Frau Sophie Reimarus, und das drückte Wohl die allgemeine Stimmung unter der Bürgerschaft ans. Das Interesse der Stadt gebot um jeden Preis den Bruch mit der Republik zu verhüten. Preußens Vermittlung aber wollte man nicht anrufen, da man seinen Absichten mißtraute. So zog man es vor, die unmittelbare Verständigung mit Frankreich zu suchen. Schon Anfang März wurde von der Commerzdeputation, der Vertretung der Hamburger Kaufmannschaft, die Absendung eines Gesandten nach Paris beschlossen, um das Verfahren der Stadt zu entschuldigen und den üblen Folgen für Handel und Schiffahrt vorzubeugen. Die Wahl siel auf G. H. Sieveking, als den Mann des allgemeinen Vertrauens. Auch der Senat versah Sieveking mit Vollmachten, und ein Gleiches that der Senat von Lübeck, während Bremen sich darauf beschränkte, die Vollmachten für den Gesandten der Hansestädte, Schlüter, zu erneuern. Gleichzeitig reiste Reinhard nach Bremen, Sieveking nach Paris ab.
Reinhard traf am 20. März in Bremen ein. Schon durch die Sendung Kerner's im November 1795 war er davon unterrichtet, daß in
Bremen eine für die französische Sache günstige Stimmung vorherrsche.
Dies konnte nicht ohne Einstuß auf die Gesinnung sein, die er seiner
seits der Stadt entgegenbrachte. Schon in einer Depesche vom December hatte er sich der besonderen bremischen Wünsche warm angenommen und diese Stadt, sogar auf Kosten Hamburgs, in ein günstiges Licht bei den Direktoren gestellt. Unter diesen Umständen durste der Gesandte, den Hamburg ablehnte, in der Schwesterstadt der besten Aufnahme versichert sein. Er lebte hier als Privatmann, ohne seine Anerkennung Zu betreiben, im Verkehr mit einem Kreise hochgebildeter, freisinniger Männer und im besten Einvernehmen mit den Behörden.