Aus Karl Friedrich Reinhard's Leben.
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Es ist damals in Neumühlen zwar kein lustig flatterndes Rosenband geknüpft worden, wie die Doctorin in der ersten Freude der Brauttage sich ausgedacht hatte*), aber Christine ist ihrem Gatten in seinem wechselvollen, an Auflegungen reichen Leben eine treue und starke Gefährtin gewesen. Ihre zarte Gesundheit ist durch die stürmischen Erlebnisse in Florenz und später in Jassy noch mehr erschüttert worden, und die Art ihres Wesens war freilich wenig dazu gemacht, dem zu Schwermuth, Mißtrauen und Vereinsamung neigenden Reinhard das Leben leichter zu machen. An Geduld und tiesbegründeter Neigung hat es dem Gatten bis zu Christinens Tode nicht gefehlt. Und in einem Stück hat sie den besten Einfluß aus ihn gehabt. Sie war an seiner Seite wie ein mahnendes Gewissen: die Frau des französischen Gesandten war von unerschütterlich deutscher Gesinnung, und man wird es dieser Verbindung mit zuschreiben dürfen, daß Reinhard zeitlebens dem deutschen Geistesleben verbunden blieb und selber sich immer als Deutscher gefühlt hat.
VII.
Nach dem Präliminarfrieden von Leoben, April 1797, stand der Anerkennung des Gesandten nichts mehr im Wege. Reinhard wurde amtlich als bevollmächtigter Minister der Republik von allen drei Städten anerkannt und siedelte jetzt nach Hamburg über.
Im Sommer machte er mit seiner jungen Frau einen Besuch in Ploen bei dem Oheim Christinens, dem dänischen Kammerherrn Hennings. Der würdige Bruder der Doctorin war Oberkommerz- und Handelsintendant in den Herzogtümern und Amtmann in Ploen, eine Stellung, die er als eine Zurücksetzung empfand; denn er hatte sich früher in der Diplomatie versucht, wo er es aber aus Mangel an Verbindungen nicht weiter bringen konnte. Er war von einer reizbaren Bitterkeit, und nur im Sieveking'schen Garten zu Neumühlen „wurde er wieder gelenkig durch Freundschaft und Heiterkeit". Indessen benützte der in seinen freisinnigen Ueberzeugungen unerschütterliche Mann seine Muße eifrig zur Schriftstellerei. In den Zeitschriften, die er herausgab: „Schleswig'sches Journal" und „Genius der Zeit" — dieser erschien von 1794 bis 1800 — machte er sich zum Anwalt der Aufklärung, des Fortschrittes, der sittlichen Veredlung. Seine Zustimmung zu Kant's „Ewigem Frieden" sprach er in einer- längeren Abhandlung aus. Ein Anhänger Rousseau's, verstritt er sich für die Ideen der Revolution auch dann noch, als er ihre Verirrungen schmerzlich bedauern mußte. Seine sreimüthige Parteinahme verwickelte ihn in häufige Fehden; in seinen Tugendmantel gehüllt, war er gewohnt gerade heraus zu reden, und wenn er die Veniendichter zu Weimar als eine „Horde hinterlistiger Räuber" behandelte, so schenkte er auch dem „gutmeinenden, aber mitunter träumenden und faselnden Asmus" nichts, wenn dieser ihm die liebe Aufklärung schlecht machte. Reinhard hatte dem Herausgeber des „Genius der Zeit" schon im Jahre zuvor
0 So, Kinder, wandelt fort, und euer Gang sei Liebe,
Sei Blumengang durchs Leben hin u. s. w. begann ein Gedicht, das Frau Reimarus an das Brautpaar richtete.