Heft 
(1891) 67
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Deutsche Rundschau.

einmal einen Beitrag gegeben. Es war die deutsche Uebersetzung einer Hymne an die Freiheit von Theodor Desorgues, der ein enthusiastischer Republikaner und ein mittelmäßiger Dichter war und srühzeitig im Jrrenhause zu Charenton starb. Ein schwülstiges Machwerk, das den Gallier als Erben der Spartaner- und Römertugenden pries H. Reinhard scheint damals mehrfach um Beiträge sür deutsche Zeitschriften angegangen worden zu sein. So für das Berliner Archiv der Zeit" und für das JournalDeutschland", das der Capellmeister Reichardt im Jahre 1796 herausgab. In diesem veröffentlichte ReinhardBriefe über die Kantische Philosophie an einen Freund in Paris", für solche Leser bestimmt,welche sich einen kurzen, deutlichen und bestimmten Begriff von den Resultaten dieser Philosophie machen wollen, ohne Kant's Werk selbst gelesen oder verstanden zu haben". Es war eine deutsche Bearbeitung des Aussatzes, den er vor vier Jahren für Siehss geschrieben hatte, als ihn dieser um eine kurze Unterweisung über das berühmte Hauptwerk des Königsberger Philosophen ersuchte.

Bei dem Besuch in Ploen zeigte sich eine wesentliche Uebereinstimmung der Grundsätze und Gesinnungen; Reinhard und der um fünfzehn Jahre ältere Oheim verstanden sich aufs Beste, und da beide einen starken Hang zu theoretischen Erörterungen besaßen, so gab man sich bei der Trennung das Wort, in einem Briefwechsel das angesponnene Zwiegespräch fortzusetzen O°

Gleich im ersten Briefe, mit dem Reinhard beginnt, vom 11. Juli 1797, spricht er von einer Familienähnlichkeit in Gesinnungen und Grundsätzen, die noch dadurch verstärkt sei, daß beide zu einer gewissen Schwarzsichtigkeit neigen, die bei beiden ihre Begründung in den bisherigen Lebenserfahrungen hat. Rein­hard fühlt sich, wie er dem Oheim gesteht, leicht von einer Gleichgültigkeit ein­gewiegt, die, wenn sie auch nicht die Thätigkeit lähmt, wenigstens durch Zweifel über den Erfolg sie freudlos macht, während der Oheim durch Kabalen und Leidenschaften kleiner Geister in seiner Laufbahn aufgehalten ist und mit un­williger Kraft gegen verächtliche und doch mächtige Hindernisse anstrebt.

Ich im ungewöhnlichsten Treiben der Begebenheiten meine persönliche Unmacht fühlend, aber in meinem Gange unterstützt durch die Ueberzeugung, daß die Sache der Grundsätze und die Sache der Regierung, der ich diene, eins und unzertrennlich sei; Beide, weil bei den Besten doch auch Temperament mitwirkt, gewohnt die Dinge vielleicht schwärzer zu sehen als sie vielleicht sind, wir schienen zu besitzen, was Mittheilungsfähigkeit, Interesse und Einverständniß hervor- Lringt. Ich wenigstens fühlte dies in Ihren Reden und in Ihrem Schweigen, und die herzliche Achtung sür Sie, die ich nach Ploen mitbrachte, ist durch Sympathie und Anschauung zu ihrer vollen Reife gediehen."

Hennings antwortet am 15. Juli:

Ihren gütigen Brief, edler Mann, habe ich erhalten, und freue mich, den Bund der Ver­schwägerung, den eine liebe und reine Weiberseele zuerst zwischen uns schloß, durch Männergedanken und Männerwünsche immer näher und einiger mit Ihnen binden zu können . . . Die Fülle ist immer noch in meiner Seele, die Leere ist oft um mich. Sie, lieber Reinhard, umarme ich als Bruder und denkenden Freund, und dann wird jene diese, da wo sie noch ist, ausfüllen. Meine

0 Genius der Zeit, 1796. Erstes Stück, S. 116.

2) Den Briefwechsel zwischen Reinhard und Hennings bewahrt die Hamburger Stadt­bibliothek.