Heft 
(1891) 67
Seite
121
Einzelbild herunterladen

Aus Karl Friedrich Reinhard's Leben.

121

und Eleonorens beste Wünsche für Sie und für die Ihrige, die Weib ward, um zu zeigen, welche Blüthenknospe edler Tugenden eine schöne Mädchenseele ist."

Der lebhaft geführte Briefwechsel, der sich an diese Einleitung anschloß, ist ein merkwürdiger Beitrag zur Kenntniß der Stimmungen und Urtheile, wie sie durch den Gang der französischen Umwälzung bei Denkenden hervorgerusen wurden. Der eine ein Däne, der andere ein Franzose, und doch beide gute Deutsche. Im Mittelpunkt der Erörterung steht die Frage: wie kommt es, daß die edlen Grundsätze der Revolution bei dem Versuch ihrer Verwirklichung eine so häßliche Verzerrung erfahren konnten, und welche Hoffnungen bleiben dem Menschenfreund übrig, nachdem das hochherzig begonnene Werk so traurig ge­wendet, zu Schandthat und Greuel verkehrt ist? Ganze Abhandlungen schreiben sich die Freunde; je eindringender sie aber das Problem zu fassen suchen, je tiefer sie zur Erklärung der Erscheinungen auf die Natur des Menschen und aus die Gesetze der Geschichte zurückgehen, um so mehr stellt sich eine grundsätzliche Verschiedenheit heraus, und aus der anfänglichen Uebereinstimmung wird ein hartnäckig geführter Streit.

Dabei kann es nicht überraschen, Hennings in der Rolle des Anklägers zu sehen, während Reinhard, der Vertreter der Republik, in die Rolle des Ver­teidigers gedrängt wird. Reinhard, der, allen Enttäuschungen zum Trotz, seinen guten Glauben an den Fortschritt festhält, beruft sich aus die vernünftige Grund­natur des Menschen, die es nicht erlaube, daß er sich in einem ewigen Kreise bewege, die vielmehr die Fähigkeit zu fortschreitender Verbesserung und Vervollkommnung in sich schließe. Die Ersahrungen der Geschichte können nicht vergeblich sein. Die Vernunft ist von Zeitalter zu Zeitalter des Fortschreitend fähig. Es muß möglich sein, die Leidenschaften der Vernunft unterzuordnen. Die Mittel zur fortschreitenden Vervollkommnung aber sind Aufklärung und Freiheit. Reinhard gesteht, daß der Fortgang der Revolution, in die er mit dem vollen Glauben an die Persectibilität der Menschheit trat, auch seinen Glauben wankend gemacht habe. Doch die philosophische Erhebung über die Zufälligkeiten der Geschehnisse schlägt die Zweifel zurück. Der Gang der Menschheit ist unaufhaltsam, wenn er auch nicht regelmäßig sein kann.Ist nicht erst seit wenigen Jahren, und wie unvollkommen noch, der Anfang gemacht! Und erscheint nicht die französische Revolution auch in ihrem erneuerten Kampfe mit alten Vorurtheilen gerade in dieser Hinsicht so interessant und so solgenvoll?" Der Oheim zeigt sich in seinen Einwürfen als ein entschiedener Anhänger Rousseau's. Jeder Mensch muß wieder von vorne ansangen. Es fehlt jedes Mittel, die moralische Bildung von einer Generation zur anderen zu übertragen. Aus der Summirung der Ver­edlung der Einzelnen kann nie eine höhere Vervollkommnung des ganzen Ge­schlechtes entstehen. Aufklärung, Vielwisserei bringt keine Vollkommenheit. Möge nur Jeder in sich streben und suchen, wie er ein besserer, richtiger denkender und so ein vollkommnerer Mensch werden könnte. Aber der Gedanke, die ganze Menschheit durch Aufklärung besser zu machen, ist auszugeben. Wo Künste und Wissenschaften blühen, zerfallen die Staaten.Was ist im Grund all unser Wissen, was unsere Gelehrsamkeit? Den Stolz und die Aufgeblasenheit des Menschen haben sie vermehrt, die Güte des Herzens ist dadurch nicht gebessert,