Heft 
(1891) 67
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Politische Rundschau.

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zweiter Ansturm ebenfalls glücken könnte. So erschienen Paul Döroulsde und sein Anhang wieder auf dem Plane und beherrschten einige Tage hindurch die öffentliche Meinung.

Daß der französische Minister des Innern aus Anlaß dieser Vorgänge selbst das Gefühl hatte, allzu große Nachgiebigkeit an den Tag gelegt zu haben, zeigte sich Lei einer anderen Gelegenheit, die, an sich ohne jede politische Bedeutung, doch zu einer brennenden Frage" gestaltet wurde. Nachdem nämlich die französische Depntirten- kammer durch ihre ablehnende Abstimmung über einen auf die Wettrennen bezüg­lichen Antrag implimto zu erkennen gegeben hatte, daß sie das Wetten bei den Rennen für ungesetzlich erachte, zog der Minister des Inneren Constans ohne Weiteres die Konsequenzen aus diesem Beschlüsse und verbot alle Wetten, die den Charakter des vom 6oäe xeual mit Strafe bedrohten Glückspiels trügen. Mag nun auch die Insti­tution der Buchmacher auf den Pariser Rennplätzen längst zu einer öffentlichen Kalamität geworden sein, so weiß doch jeder Besucher der französischen Hauptstadt aus Erfahrung, wie tief das Wetten bei einem großen Theile der Bevölkerung eingewurzelt ist, so daß die Beseitigung des Totalisators, der ebenso wie die Buchmacher durch das Verbot des Ministers getroffen werden sollte, die größte Unzufriedenheit hervor­gerufen hat. Charakteristisch erscheint denn auch, daß die boulangistischen Deputirten in der Kammer alle Hebel ansetzten, das Verbot der Wetten auf den Rennplätzen herbeizuführen, weil die Unzufriedenheit eben das hauptsächliche Element ist, dessen sich die Parteigänger des Generals Boulanger stets mit Erfolg bedienten. Andererseits hätte es doch so nahe gelegen, die boulangistischen Vertheidiger der öffentlichen Moral daran zu erinnern, wie wenig sie grade berufen wären, eine solche Rolle zu spielen, nachdem dieOouIi8868 cku Loulaugmmtz" bekannt geworden sind. Ullum tsueatm amiei! darf man in diesem Zusammenhänge ausrufen, sobald dieMoralität" der Boulangisten in Betracht kommt; freilich hat andererseits das Sprüchwort, laut welchem die Lächerlichkeit in Frankreich tödtet, längst seine Gültigkeit verloren. Der ganze Feldzug der französischen Regierung gegen den Totalisator und die Buchmacher wird überdies allem Anschein nach mit einem Fiasco des Ministers des Innern Constans enden.

Waren die letzten Vorgänge in Frankreich keineswegs geeignet, das Ansehen des Cabinets Freycinet-Constans zu erhöhen, so hat das neue italienische Ministerium bis­her nicht nur politische Fehler vermieden, sondern auch durch maßvolles Verhalten in der auswärtigen sowohl wie in der inneren Politik seine Stellung zu befestigen vermocht. Mit besonderem Interesse durfte man den Erklärungen des Conseilpräsidenten und Mi­nisters des Auswärtigen Rudini entgegensehen, nachdem ein ganzes Füllhorn bezüg­licher Interpellationen in der italienischen Deputirtenkammer ausgeschüttet worden war. Am bedeutsamsten mußten die Aufklärungen erscheinen, die Rudini über die Stellung Italiens im Dreibunde ertheilte. Fehlte es doch nicht an Stimmen, nach denen der Dreibund durch den Sturz Crispi's erschüttert sein sollte, obgleich die Tripelallianz bereits die Grundlage der auswärtigen Politik Italiens bildete, als Crispi zur Uebernahme der Regierungsgeschäste berufen wurde. Auch konnte an dieser Stelle sogleich nach der Ernennung Rudinlls zum Conseilpräsidenten und Leiter der auswärtigen Politik daran erinnert werden, wie er in seiner Wahlrede vor den letzten allgemeinen Wahlen für die Deputirtenkammer betont hat, daß er bereits vor Crispi den Anschluß Italiens an die Friedenspolitik Deutschlands und Oesterreich-Ungarns für durchaus geboten erachte. So steht es denn mit den früheren Versicherungen Ru- dini's im vollen Einklänge, wenn er in der Deputirtenkammer bei der Beantwortung der Interpellationen über die auswärtige Politik in aller Form hervorhob, daß das neue Cabinet die Regierungsgeschäfte nicht übernommen habe, um die Bande des Dreibundes zu lockern, sondern mit dem Entschlüsse, denselben aufrecht zu erhalten, da er dem Lande eine lange Friedensära gebracht habe und weiterhin in Aussicht stelle. Der Conseilpräsident wies zugleich darauf hin, daß die Ausrechterhaltung des 8tatu8 quo wohl jenen mißfallen könnte, die nach großen und blutigen Verwickelungen verlangen.