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Deutsche Rundschau.
nicht aber jenen, die den Frieden ihres Landes lieben. Als das Bestreben der Regierung bezeichnte Rudini in diesem Zusammenhänge, sich des Dankes der Verbündeten zu versichern, indem sie danach trachtete, jeden Grund, jede Drohung eines Angriffs zu beseitigen. Nachdem der Minister des Auswärtigen in dieser unzweifelhaften Weise das treue Festhalten Italiens am europäischen Friedensbündnisfe in den Vordergrund gerückt hatte, durfte er mit Fug dem Bedauern Ausdruck geben, daß Zweifel, Verdächtigungen und Mißtrauen in Bezug auf das Verhältniß zu Frankreich laut geworden sind, während die Regierung doch entschlossen ist, mit Frankreich freundschaftliche Beziehungen aufrecht zu erhalten, so daß diejenigen vollständig beruhigt sein dürfen, die irrthümlich in der Tripelallianz ein Werkzeug des Krieges erblickten und noch erblicken. Da mehrfach in der italienischen Presse und dann auch in einer in der Deputirten- kammer Angebrachten Interpellation die Forderung geltend gemacht wurde, den Wortlaut der mit den verbündeten Mächten abgeschlossenen Verträge zu erfahren, erklärte Rudini, daß der Kammer nach der Verfassung allerdings das Recht zuftände, die Richtung der auswärtigen Politik der Regierung zu kennen, daß jedoch das Verlangen, die abgeschlossenen Verträge bekannt gemacht zu sehen, so lange nicht erfüllt werden könne, als die anderen Kontrahenten nicht zustimmten. Auch wäre die Regierung zur Vorlegung dieser Verträge nur dann genöthigt, wenn dem Lande finanzielle Verpflichtungen auferlegt oder Bestimmungen über Veränderung des nationalen Gebietes getroffen würden. Da ein Abgeordneter auf die Gerüchte hingewiesen hatte, nach denen das Gleichgewicht im Mittelländischen Meere gestört werden könnte, bezeichnte Rudini diese Gerüchte als unbegründet und fügte hinzu, Italien hätte ein zu großes Interesse an diesem Gleichgewichte, als daß es nicht die Würde und Ehre seiner Flagge zu wahren wissen würde, falls jenes in der That gefährdet wäre.
Die Erklärungen des italienischen Conseilpräsidenten waren wohl geeignet, nicht bloß alle Zweifel hinsichtlich der Zuverlässigkeit der Bundesgenoffenschaft Italiens zu zerstreuen, sondern auch in Frankreich in beruhigendem Sinne zu wirken. War doch der hauptsächliche Vorwurf, der von französischer Seite gegen den früheren Leiter der auswärtigen Politik Italiens, Crispi, erhoben wurde, daß er oftmals eine allzu herausfordernde Sprache gegen Frankreich geführt, als ob die Tripelallianz in seinen Augen weit mehr ein Kriegs- als ein Friedensinstrument wäre. Gegen die nach beiden Seiten versöhnliche Rede Rudinüs läßt sich auch nicht der Vorwurf erheben, daß sie etwa zweideutig schillernd gehalten war. In Deutschland dürfen um so weniger Besorgnisse gehegt werden, als die Tripelallianz in gewissem Maße eine Lebensfrage für Italien darstellt. Das von dem italienischen Minister des Auswärtigen als höchst bedeutsam bezeichnet^ Gleichgewicht im Mittelländischen Meere erscheint zwar durch Frankreich, nicht aber durch Deutschland und Oesterreich-Ungarn bedroht, gerade wie es Frankreich gewesen ist, das den Italienern ihre natürliche Hauptstadt vorenthielt nnd, falls es in seinen Kräften stände, wohl heute noch vorenthalteu würde. An diesen Thatsachen vermöchten auch die italienischen Radikalen vom Schlage Cavallottlls und Jmbrianüs nichts zu ändern, so daß ihre Angriffe gegen das europäische Friedens- bündniß nur in ihrer unverantwortlichen Stellung eine Erklärung finden.
Wie die auswärtige Politik Italiens durch die loyalen Aufschlüsse des neuen Conseilpräsidenten aufgeklärt wurde, war auch das von dem neuen Schatzminister Luzzatti in der Deputirtenkammer erstattete Finanzexposö wohl geeignet, die hinsichtlich der Wiederherstellung des Gleichgewichts im Staatshaushalte gehegten Hoffnungen zu verstärken. Das Reinergebniß der vom Schatzminister vorgeschlagenen Ersparnisse wird aus nicht weniger als sechsunddreißig Millionen Lire, mit denen ein verwendbarer Ueberschuß von sieben Millionen erzielt werden soll, berechnet. Auch soll die gesammte Finanz- und Wirtschaftspolitik der Regierung nach dem Grundsätze gestaltet werden, daß die fortschreitende Verbesserung der wirthschaftlichen Lage dem Gleichgewichte im Staatshaushalte, der Regelung des Schatzes sowie der Neuordnung des Notenumlaufes koordinirt sein muß, da nicht der Staatshaushalt zum Schaden der wirthschaftlichen Lage festgesetzt werden darf, vielmehr der Aufschwung der letzteren dem ersteren Kraft