Heft 
(1891) 67
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Politische Rundschau.

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und Elastieität geben soll. Die Gefahr, daß durch die in großem Stile vorgeschlagenen Ersparnisse, die sich zu einem nicht unbeträchtlichen Theile auf das Ressort des Kriegs- nisteriums beziehen, die Schlagsertigkeit des italienischen Heeres beeinträchtigt werden könnte, ist allem Anscheine nach vermieden. Die Einzelheiten dieser Ersparnisse sind bereits bekannt; sie beziehen sich zum Teil aus die Verwaltung, bei der ein minder schwerfälliger Apparat zur Anwendung gelangen soll. Würde es aber dem neuen Ministerium gelingen, in der That auch die vorübergehenden Ersparnisse durch dauernde zu ersetzen, so wäre dies ein so unleugbarer Gewinn, daß das Ministerium Rudini seine Position wesentlich verstärken würde.

Einen Mißklang in die italienische Politik bringen die aus der ostasrikanischen Kolonie gemeldeten Vorgänge, bei denen der mit der Leitung der localen Polizei in Massowah betraute Carabinieri-Lieutenant Livraghi allem Anscheine nach eine ver­brecherische Rolle gespielt hat. Noch andere Mitschuldige sind an den zumeist zum Zwecke von Erpressungen und Beraubungen gegen reiche Eingeborene verübten Greuel- thaten betheiligt, über welche die bereits von der italienischen Regierung eingeleitete Untersuchung klares Licht verbreiten wird. Das neue Ministerium wird durch diese Enthüllungen in keiner Weise bloßgestellt, wie denn der Conseilpräsident Rudini über­haupt kein allzu begeisterter Anhänger einer kostspieligen Colonialpolitik zu sein scheint, so daß er in der Deputirtenkammer ausdrücklich erklärte, die Finanzlage Italiens gestatte keine großen Ausgaben in der Kolonie Eritrea, weshalb dort eine Politik der Sammlung nothwendig wäre.

Einer derartigen Politik derSammlung" bedarf es auch in Oesterreich, woselbst der in diesen Tagen neugewählte Reichsrath sich aus so wenig homogenen Elementen zusammensetzt, daß eine geschlossene Regierungsmehrheit nicht vorhanden ist. So wird das Ministerium Taaffe sich auf die deutsch-liberale Fraction, die Polen, die Mittel­partei des Großgrundbesitzes und den Coronini-Club stützen müssen, wenn anders die Regierung nicht aus jede Fortentwicklung der gesetzgeberischen Ausgaben Verzicht leisten will. Als das markanteste Ergebniß der jüngsten Wahlkämpfe für den österreichischen Reichsrath darf die beinahe vollständige Vernichtung der alttschechischen Partei bezeichnet werden, die den radicalen Jungtschechen das Feld räumen mußte. Die Führer der Alttschechen zogen denn auch nur die nothwendige Konsequenz der jüngsten Vorgänge, als sie eine Erklärung veröffentlichten, laut welcher ihre Partei vom parlamentarischen Schauplatze im Reichsrathe sich zurückzwht. In elegischem Tone wird in der Er­klärung constatirt, daß die tschechischen Wähler ihre Geschicke neuen Männern und einer Partei anvertraut haben, die sich bisher mit fruchtbaren und derNation" nütz­lichen Erfolgen nicht auszuweisen vermag, um so schärfer und schroffer dagegen die Thaten der Alttschechen kritisirt. Daß die Thaten der Alttschechen vielfach in maß­losen Forderungen bestanden, die nur dazu beitragen konnten, dem nationalen Hader in Böhmen und Mähren Vorschub zu leisten, wodurch dann das Terrain für die noch radicaleren Jungtschechen geebnet wurde, unterliegt keinem Zweifel. Jedenfalls darf angenommen werden, daß mit den Tschechen, wenn anders der österreichische Staat sich nicht selbst aufgeben will, nicht pactirt werden kann, da die Gruppe, die nunmehr als Siegerin innerhalb der tschechischen Bevölkerung in den österreichischen Reichsrath einzieht, durch ihre nach Rußland hinneigenden panslawistischen Bestrebungen ihre Stellung zur Genüge charakterisirt. Hieraus erhellt zugleich, daß die polnische Fraction im Hinblick aus ihre feindselige Position gegen Rußland sich um so entschiedener von den Jungtschechen abwenden wird. Nicht übersehen werden darf in diesem Zusammen­hänge, daß die Polen in Oesterreich sich besonderer Rücksichten von Seiten der Regierung erfreuen, so daß sie, durch ihr eigenes Interesse geleitet, wohl zu den staatserhaltenden Parteien gezählt werden dürfen.' Der deutsch-liberalen Partei fällt aber die schwierige Ausgabe zu, durch die Besonnenheit und Mäßigung, welche diese Gruppe stets auszeichnete, eine führende Rolle in dem neuen österreichischen Reichsrathe zu erlangen. Der Sympathien der Deutschen im Reiche dürfen die österreichischen Deutsch-Liberalen sich Lei der Lösung dieser schwierigen Ausgabe in vollem Maße versichert halten.