Literarische Rundschau.
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novellistischen Feuilletons zeigt sich nicht minder ihre Meisterschast. Gut gedacht, aber nicht ganz klar ausgeführt, erscheint mir das Stimmungsbild: „Die Liebe ist gerettet". Ungleich besser gerathen sind: „Das Brosämle" und „Von der Straße", zwei aus dem wirklichen Leben geschöpfte Novelletten. Den schönsten Arbeiten Ilse Frapan's reihen sich an: „Uns' Jda" und „Der Erste". Diese Geschichte mit dem melancholischen Anfang und dem hoffnungsvoll aufjauchzenden Schluß, eine Legierung von Melancholie und trunkenem Siegesgefühl, muß Jedermann bis ins tiefste Herz rühren.
Ilse Frapan's lyrische Gedichte sind eine neue Beglaubigung ihres hervorragenden Talentes. Ich habe noch selten eine Gedichtsammlung gelesen, in der ein solche schmuckloses, von jeder Künstelei so weit entferntes Wesen herrscht, wie hier. Was wir da zu lesen bekommen, ist weiter nichts als die aufrichtige Generalbeichte einer gesund empfindsamen Natur, das Tagebuch eines Menschen überhaupt. Und das ist gerade genug. Allerdings darf Ilse Frapan nicht zu den „stilvollen, formvollendeten" Lyrikern gezählt werden, die aus kunstreich aufgebauten Srtophen, aus sorgfältig abgemessenen Lang- und Kurzzeilen, aus gewählten, die schönsten Empfindungen wie von selbst mit sich bringenden Reimen einen feingeschliffenen Spiegel ihres elegant gekleideten Jchs bilden. Ilse Frapan dichtet nur in sehr primitivem Strophengefüge; ihre Form ist durchaus nicht immer eine abgeglättete und abgetönte, und ihre Reime könnten manchmal reiner sein. Und doch muß man ihr all diese Mängel verzeihen, denn die Psyche, die aus diesem Buche in keuscher, lichter Schönheit strahlt, durchgeistigt und adelt ihre Verse. Man glaubt ost, die geheimnißvolle, dämmernde Gefühlsweichheit Stornos und die wonnigliche, herbstlich-scharfe und sonnendurchgluthete Lebensfreude Mörike's seien in ihr vereinigt. Namentlich da, wo Ilse Frapan, mag sie nun durch den Wald schreiten oder am Gewässer träumen, die Stimmung ihres Inneren mit der Natur ringsum in einen symbolischen Zusammenhang zu bringen sucht, gelingt es ihr stets, uns in den Bannkreis ihrer Persönlichkeit zu ziehen. Und welche sinnigen, entzückenden Sächelchen finden sich in ihren Poesieen. Man lese nur folgendes einstrophige Gedicht: „Warum muß ich meine Augen schließen? — Stehen doch vor mir liebe, frische Blumen! — Ach, vor allem Lieblichen der Erde — Schließ' ich sie, um nur an Dich zu denken!" —
In einer Reihe von Gedichten hat sie ihrem über Alles verehrten Lehrer und Freund, dem Aesthetiker Bischer, ein schönes Denkmal gesetzt. In der überströmenden Fülle ihrer Dankbarkeit und Begeisterung widmete sie ihm sogar ein ganzes Buch, welches mir nach mehrfachen Richtungen hin lesenswerth erscheint. Es ist natürlich für jeden Literaturfreund sehr interessant, Aufschlüsse über das intimere Leben des großen Aesthetikers zu erhalten. Das Buch bedeutet aber auch eine charakteristische Ergänzung zu den dichterischen Leistungen Ilse Frapan's. Nur eine echte Dichterin von bedeutendem gestaltendem Talente vermochte es, Bischer als Redner und Lehrer in eine solche Beleuchtung zu rücken; nur das Auge einer Künstlerin konnte so tief in seine satirischen Dichtungen, in die Eigenheiten, Härten und Schärfen seines Naturells Hineinblicken. Und das, was mir an ihren Novellen und Gedichten vor Allem gefiel, die frische Aufrichtigkeit, die oft gegen sich selbst gerichtete Ehrlichkeit, kommt hier ebenfalls zum Vorschein. Das Gedicht, das sie Bischer, ihrem ästhetischen Leitstern, zu dessen achtzigstem Geburtstage widmete, macht nicht allein dem Besungenen, sondern auch der Verfasserin Ehre.
So laß es Dir denn einmal, einmal sagen,
Wie Deines Geistes Flug den unseren beschwingt,
Wie tief wir Dich in unsren Herzen tragen,
Wie Deine starke Güte uns bezwingt.
Nie suchte Größe einen schlichtem Rahmen,
Nie schlug ein reich'res Herz für alle Creatur;
Was wir gedacht, Du streutest aus den Samen,
Was wir gewollt, Du zeigtest Weg und Spur.