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Deutsche Rundschau.
übrigens nicht ausschloß, daß nach ihrem Rückzuge, der jedesmal um elf Uhr erfolgte, die Heiterkeit der Tafel eine noch erhebliche Steigerung erfuhr. Zu dieser Steigerung wirkte freilich auch noch ein Andres mit, und dies Andre war der schwedische Punsch, der nicht regelmäßig, aber heute wenigstens in einer großen silbernen Bowle aufgetragen wurde. Jeder war seines Lobes voll, am meisten Bie, der denn auch beim fünften Glase, bei dem er verhältnißmäßig rasch angelangt war, sich erhob, um unter gnädiger Erlaubniß der Damen einen Toast auszubringen. „Ja, einen Toast, meine Damen. Aber wem soll er gelten? Natürlich unsrer liebenswürdigen Wirthin, in der unser schwedisches Brudervolk — wie wir ein Meervolk, ein Volk der See — so zu sagen seinen höchsten Ausdruck findet. Aus dem Meere, wie wir Alle wissen, ist die Schönheit geboren, aber aus dem Nordmeer auch der nordische Muth, der schwedische Muth. Ich war nicht Zeuge von dem, was dieser Nachmittag von einem solchen echten Nord- landsmuth gesehen hat, aber ich habe davon gehört. Und am Rande des Todes Hinzuschweben, ein Fehltritt, und die Tiefe hat uns für immer, das ist des Lebens höchster Reiz. Und dies Leben ist ein Nordlandsleben. Wo das Eis beginnt, da hat das Herz seine höchste Flamme. Hoch Nordland und hoch seine schöne, seine muthige Tochter!"
Alle Gläser klangen zusammen, und die „Escapade nach dem Arreste", wie sie schon mehrfach an diesem Tage der Gegenstand scherzhafter Bemerkungen gewesen war, wurd' es aufs Neue. Pentz, der weder Holk noch Ebba traute, gefiel sich in Fortsetzung seiner Spöttereien und malte mit Behagen aus, was aus Beiden geworden wäre, wenn sich eine Eisscholle, mit einem Tannenbaum darauf, unter ihnen losgelöst und sie aufs hohe Meer hinausgetragen hätte. Vielleicht wären sie dann in Thule gelandet. Oder vielleicht auch nicht und hätten aus ihrer Scholle nichts gehabt als den kleinen Weihnachtsbaum ohne Nuß und Marzipan. Und Holk hätte sich dann getödtet und sein Herzblut an- geboten, unter Anklängen an den unvermeidlichen Pelikan. In alten Zeiten wären solche Dinge vorgekommen.
„In alten Zeiten," lachte Ebba. „Ja, was ist in alten Zeiten nicht Alles vorgekommen! Ich habe nicht die Prätension, mich auf Geschichte hin auszuspielen, das überlass' ich Andern, und auf alte Geschichte nun schon gewiß nicht; aber man braucht nur ein bischen trojanischen Krieg zu kennen, um vor den alten Zeiten und ihrem Muth einen sehr bedeutenden Respect zu haben, einen noch bedeutenderen als vor dem scandinavischen Muth, von dem vr. Bie so schön und in für mich persönlich so schmeichelhafter Weise gesprochen hat."
Westergaard und Lundbye versicherten a tsmxo, daß sich die Zeiten in dem Wichtigsten Punkte, nämlich in dem Heldenmuthe der Leidenschaft, immer gleich blieben, und daß sie sich für ihre Person dafür verbürgen wollten, die Liebe schaffe noch dieselben Wunder wie früher.
Alles theilte sich sofort in zwei Lager, in Solche, die derselben Meinung waren (unter diesen, strahlenden Gesichts, die kleine Frau Pastorin) und in Solche, die rund heraus verneinten. An der Spitze dieser stand natürlich Ebba. „Dieselben Wunder," wiederholte sie. „Das ist unmöglich, denn diese Wunder sind Products dessen, was der Welt verloren gegangen ist, Products großer erhabner Rücksichts-