Heft 
(1891) 67
Seite
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Unwiederbringlich.

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Ja, die Rettung," sprach er vor sich hin.Alles hängt an einem Haar; so war es diesmal und so ist es immer. Was hat uns gerettet? Daß wir gleich am ersten Tage an den Teichen und Pavillons vorüber, einen Spaziergang bis an die Parkfähre machten und daß an demselben Tage die Sonne schien und daß mein Blick aus das hellerlenchtete Schloß fiel und daß ich, weil Alles so hell und klar da lag, in aller Deutlichkeit sehen konnte, wie das Fußende des Thurmdaches mit dem Fußende des Schloßdaches zusammenlief. Ja, das hat uns gerettet. Ein Zufall, wenn es einen Zufall gibt. Aber es gibt keinen Zufall, es hat so sein sollen, eine höhere Hand hat es so gefügt. Und daran muß ich mich aufrichten, und daran Hab' ich auch eine Anlehne für das, was ich noch vorhabe. Wenn wir in Noth und Zweifel gestellt werden, da warten wir auf ein Zeichen, um ihm zu entnehmen, was das Rechte sei. Und solch' Zeichen habe ich nun darin, daß eine höhere Hand uns aus der Gefahr hinaussührte. Wäre der Weg, den mein Herz all' diese Zeit ging, ein falscher gewesen, so hätte mich die Strafe getroffen, mich und Ebba, und wir wären ohnmächtig zusammen­gesunken und erstickt und hätten uns nicht in die Lust und Freiheit hinaus gerettet. Und Christine selbst, wenn ich ihre letzten Zeilen richtig verstanden habe, Christine selbst hat ein Gefühl davon, daß es so das Beste sei. Die guten Tage sollen nicht vergessen sein, nein, nein, und eine dankbare Erinnerung soll der Trennung alles Bittere nehmen; aber die Trennung selbst ist nöthig, und ich darf Wohl hinzusetzen, ist Pflicht, weil Wir uns innerlich fremd geworden sind. Ach, all' diese Herbheiten. Ich sehne mich nach einem anderen Leben, nach Tagen, die nicht mit Tractätchen ansangen und ebenso aushören; ich will kein Harmonium im Hanse, sondern Harmonie, heitere Uebereinstimmung der Seelen, Luft, Licht, Freiheit. Das Alles will ich und Hab' es gewollt vom ersten Tage an, daß ich hier bin. Und ich habe nun ein Zeichen, daß ich es darf."

Er brach ab, aber nur auf Augenblicke, dann war er wieder am alten Fleck. In einem Kreise drehten sich all' seine Vorstellungen, und das Ziel blieb das­selbe: Beschwichtigung einer inneren Stimme, die nicht schweigen wollte. Denn während er sich Alles bewiesen zu haben glaubte, war er doch im letzten Winkel seines Herzens von der Nichtstichhaltigkeit seiner Beweise durchdrungen, und wenn er sich außerhalb seiner selbst hätte stellen und seinem eigenen Gespräche zuhören können, so würde er bemerkt haben, daß er in Allem, was er sich vorredete, zwei Worte geflissentlich vermied: Gott und Himmel. Er rief beide nicht an, weil er unklar, aber doch ganz bestimmt heraus fühlte, daß er im Dienst einer schlechten Sache focht und nicht wagen dürfe, den Namen seines Gottes mißbräuchlich ins Spiel zu ziehen. Ja, das Alles würde er gesehen haben, wenn er sich wie ein Draußenstehender hätte beobachten können; aber das war ihm nicht gegeben, und so schwamm er denn im Strome falscher Beweisführungen dahin, Träumen nachhängend und sein Gewissen einlullend und schrieb sich ein gutes Zengniß nach dem anderen. Warum auch nicht? Es ließ sich ja, das dürft' er sich sagen, so gut mit ihm leben, man mußt' es nur verstehen; aber Christine verstand es nicht und wollt' es auch nicht verstehen, ja, er war ein Opfer ihrer christlichen Redensarten, das stand ihm fest oder sollt' ihm wenigstens feststehen, und immer mehr von dem Verlangen erfüllt, seine gute, seine gerechte Sache so rasch wie möglich zum