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Deutsche Rundschau.
oder vorletzten Tag vor seiner Abreise. Und mit einem Male war es ihm, als hör' er's noch, aber aus weiter, weiter Ferne.
So stand er und träumte vor sich hin, in halbem Vergessen dessen, um was er eigentlich hierher gekommen, als er zu bemerken glaubte, daß die Thür ging. Und nun wandte er sich und sah, daß Christine eingetreten war. Sie blieb stehen und hatte die Hand der Dobschütz genommen, wie um sich zu halten. Holk ging auf sie zu. „Guten Tag, Christine. Du siehst mich früher wieder, als ich erwartete."
„Ja," sagte sie „früher." Und sie gab ihm die Hand und wartete, was er thun würde. Das sollte ihr dann ein Zeichen sein, wie's stünde, denn sie wußte, daß er, trotz aller seiner Schwächen, ehrlich war und sich nicht gut verstellen konnte.
Holk hielt ihre Hand in der seinen und wollte sie fest ansehen. Aber er konnte den ruhigen Blick, der dem seinen begegnete, nicht ertragen, und so wandt' er sein Auge wieder bei Seite, um es nicht Niederschlagen zu müssen und sagte, während sie in ihrem Schweigen verharrte: „wollen wir uns nicht setzen, Christine?"
Dabei schritten beide auf den Ecktisch zu. Die Dobschütz folgte, blieb aber stehen, während sich die Gräfin setzte, Holk ihr gegenüber, nachdem er einen Lehnstuhl herangeschoben hatte. Die Weihnachtskrippe stand zwischen ihnen und über die Krippe fort fragten sich ihre Blicke.
„Geh', liebe Julie," sagte die Gräfin nach einer Pause. „Wir sind Wohl besser allein. Ich glaube, daß mir Holk Etwas sagen will."
Die Dobschütz zögerte, nicht weil sie Zeuge des Peinlichen zu sein wünschte, was sich sichtlich vorbereitete, sondern aus Liebe zu Christine, hinsichtlich deren sie fürchtete, daß sie ihres Beistandes bedürftig sein würde. Zuletzt aber ging sie.
Holk seinerseits schien die letzten Worte seiner Frau, „daß er ihr muth- maßlich Etwas zu sagen habe," zunächst wenigstens widerlegen zu wollen; er schwieg und spielte dabei mit dem Christkind, das er, ohne recht zu wissen was er that. der Jungfrau Maria vom Schoß genommen hatte.
Christine sah ihn an und fühlte beinah' ein Mitleid mit ihm. „Ich will es Dir leicht machen, Holk," sagte sie. „Was Du nicht sagen magst, ich will es sagen. Am Sylvester oder am Neujahrstage haben wir Dich erwartet, nun kommst Du zu Weihnacht. Ich glaube nicht, daß Du der Krippe wegen gekommen bist, auch nicht des Christkindes wegen, mit dem Du spielst. Es liegt Dir etwas sehr Andres am Herzen als das Christkind, und es kann nur noch die Frage sein, wie Dein Glück heißt, ob Brigitte oder Ebba. Eigentlich ist es gleich. Du bist gekommen, um auf das, was ich Dir als Letztes und Aeußerstes vorschlug, einzugehen und mir dabei zu sagen: „ich hätt' es ja so gewollt." Und wenn Du das sagen willst, so sag' es; Du darfst es. Ja, ich Hab' es so gewollt, denn ich bin nicht für halbe Verhältnisse. Zu den vielen Selbstsüchtigkeiten, die mich auszeichnen, gehört auch die, nicht theilen zu wollen, ich will einen ganzen Mann und ein ganzes Herz und mag nicht eines Mannes Sommerfrau sein, während Andere die Wintersrau spielen und sich