Heft 
(1891) 67
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Die Wechselbeziehungen der Organismen.

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gegeben. Mit dem Dünger zugleich führt der Landmann unzählige Milliarden von Bakterien seinen Feldern zu. Dort zersetzen sie die im Dünger vorhandenen organischen Verbindungen, und erst die anorganischen Körper, die hierbei ent­stehen, dienen den Pflanzen zur Nahrung. Ohne Bakterien müßten sich alsbald die Leichen von Pflanzen und Thieren ins Unendliche Hausen, denn es würden die Arbeiter fehlen, die rascher und wirksamer als jede Ortspolizei, die Reinigung unseres Erdballs besorgen. Die Bakterien begnügen sich mit der kärglichsten Nahrung. Jede Spur einer organischen Verbindung kommt ihnen zu Gute, daher sie auch über den ganzen, von Thier und Pflanzen bewohnten Erdball, in unnennbaren Zahlen verbreitet sind. Man hat es versucht, die Menge der in Luft, Wasser und Boden vorhandenen Bakterien zu bestimmen, und sinnreiche Untersuchungen haben da auch mehr oder weniger zum Ziele geführt.

Den Anfang machte Pasteur, indem er Luft durch Röhren sog, die er mit Pfropfen aus Schießbaumwolle verstopft hatte. In den Pfropfen sammelten sich die Keime. Die Pfropfen wurden hieraus in Aether geworfen, in welchen sich die Schießbaumwolle löst, und die Lösung alsdann bei starker Vergrößerung auf ihren Gehalt an Keimen untersucht. Eine entscheidende Vervollkommnung erfuhren die Bakterienuntersuchungen durch Robert Koch's Gelatineculturen. Die zu untersuchenden Boden- oder Wassermengen werden abgewogen und in der einen oder der anderen Weise mit flüssig gemachter Gelatine vermengt, die weiterhin in geeigneten Gefäßen oder auf Glasplatten erstarren muß. Luft läßt man jetzt zumeist in bestimmten Mengen durch lange, inwendig mit Gelatine überzogene Röhren streichen. Die Keime sallen auf die Gelatine nieder und können sich in derselben weiterentwickeln. Für alle solche Culturen wird die Gelatine zuvor mit passenden Nährstoffen versetzt, welche die Entwickelung der Keime begünstigen. Die sich entwickelnden Bakteriencolonien können dann direct untersucht, bestimmt und gezählt werden. Man schöpft aus den einzelnen Co­lonien, um Reinculturen aus anderen Gelatineplatten oder in anderen Gelatine führenden Gefässen zu erhalten, und diese geben unter Umständen auch weiter den Stoff zu Impfungen her. Die Gelatineculturen haben überhaupt einen der wichtigsten Fortschritte auf dem Gebiete der Vacteriologie eingeleitet und den Weg für alle großen Entdeckungen der Neuzeit gebahnt.

Bakterien fand man bis jetzt überall, wo Thiere und Pflanzen leben. Die Zahl derselben wächst mit der Menge der vorhandenen Abfälle. Wirklich bakterienfrei kann man sich nur im offenen Meere oder auf hohen, mit Schnee bedeckten Berggipfeln wähnen. Von der Zahl der in der Lust vorhandenen Bakterien, oder wir wollen lieber sagenentwickelungsfähigen Bakterien," hat man sich übrigens meist übertriebene Vorstellungen gemacht; denn es wird den Bakterien thatsächlich nicht so leicht, in die Lust aufzusteigen. Von ihrer Unterlage, so lange dieselbe feucht ist, vermag sie selbst der stärkste Wind nicht loszulösen, und auch trocken haften sie noch an derselben fest. Sie müssen also vollständig ausgetrocknet, zu pulversörmigem Staub zerfallen sein, um der Be­wegung der Luft zu folgen. Die meisten Bakterien vertragen aber ein solches Austrocknen nicht, ohne getödtet zu werden. Nur ein Bruchtheil der Partikelchen, die wir in einem Sonnenstrahl, der in unser Zimmer fällt, tanzen sehen, gehört

Deutschs Rundschau. XVII, 8. 13