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Deutsche Rundschau.
den Bakterien an. Abgesehen von einigen Keimen der Pilze und selbst niederer Thiere, sind es meist unorganische, leblose, also wirkliche Stäubchen, die wir vor Augen haben.
Unsere Wohnräume enthalten durchschnittlich nur drei bis fünf Keime auf einen Liter Luft; die Luft draußen nicht viel mehr, besonders wenig im Winter. Bakteriensrei hat man die Luft aber tatsächlich nur auf den Gipfeln hoher Berge und im offenen Meere gefunden. Ganz außerordentlich reich an Bakterien ist der Erdboden, doch nimmt ihre Zahl in demselben rasch mit der Tiefe ab. Betrug sie in den oberen Schichten eines Ackers beispielsweise eine halbe Million für ein Gramm Erde, so sinkt sie in anderthalb Meter Tiefe schon auf nur wenige Keime. Im Waffer ist, je nach Umständen, die Zahl der Bakterien geringer oder größer. In aufgefangenem Regenwasser fand Miguel fünsunddreißig Bakterien pro Cubikcentimeter; in der Seine oberhalb Paris vierzehnhundert, unterhalb Paris 3200 Keime in derselben Wafsermenge.
Von der Größe der Bakterien gewinnt man einige Vorstellung, wenn man bedenkt, daß von den stäbchenförmigen Arten meist tausend der Breite nach aneinandergesetzt einen Millimeter, somit den tausendsten Theil eines Meters decken würden. Die Länge solcher Stäbchen mag dann zwei- bis viermal so groß sein, als ihre Breite. — Denken wir uns, wir hätten es mit einer Art zu thun, deren Stäbchen ein Tausendstel Millimeter breit und ein Fünfhundertel Millimeter lang sind, so gingen deren nicht weniger als 636 Millionen auf einen Kubikmillimeter, d. h. diese Zahl wäre nöthig, um einen Würfel zu füllen von einem Millimeter Höhe. Trotzdem aber eine Million Bakterien einen Raum beansprucht, der für unser Auge ohne Vergrößerungsglas kaum sichtbar ist, so würden doch die Nachkommen einer einzigen Bakterie bald das Weltmeer erfüllen, wenn es ihnen gestattet wäre, sich unbegrenzt zu vermehren.
Denn selbst langsam sich vermehrende Bakterien verdoppeln ihre Zahl in jeder Stunde. Ein einziges Stäbchen gibt auf solche Weise in vierundzwanzig Stunden schon über I 6 V 2 Millionen Nachkommen. Das bedeutet immer erst den vierzigsten Theil eines Cubikcentimeters; doch schon am nächsten Tage wäre die Menge auf fast einen halben Liter angewachsen. Noch vor Ablauf des fünften Tages könnte der glückliche Stammherr dieser ganzen Sippschaft auf einen engsten Familienkreis herabblicken, den aufzunehmen das Weltmeer nicht reichen würde. Man erschrickt fast bei dieser Vorstellung und fragt sich, wie es denn kommt, daß bei einer solchen Vermehrungsfähigkeit der Bakterien überhaupt ein bescheidener Platz neben denselben für uns in dieser Welt noch bleibt. In der Natur reguliert sich eben Alles von selbst, und der Vermehrungsfähigkeit der Bakterien wird bald eine Schranke durch Mangel an Nahrung gesetzt. Solange Nahrungsstoffe zur Verfügung stehen und die Bedingungen günstig bleiben, dauert freilich die Vermehrung fort und führt uns die theoretisch ausgerechnete Möglichkeit vor, wenn auch innerhalb enger Grenzen. So vermag das sogenannte Froschlaichbacterium, wenn dem Auftreten desselben nicht vorgebeugi Wird, in einer Zuckerfabrik binnen kurzer Frist ganze Tonnen Zuckerrübensafi in eine schleimig gelatinöse Masse zu verwandeln und hierdurch großen Schader anzurichten. Ein Holzbottich mit fünfzig Hektolitern zehnprocentiger Melassen-