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Deutsche Rundschau.
sich beide gegenseitig; daher es wichtig ist, die Haideerde, in welcher man solche Pflanzen ziehen will, nicht austrocknen zu lassen, damit die Pilzkeime nicht ge- tödtet werden, welche solche Erde birgt. Außerdem empfiehlt es sich, derartige Gewächse mit ihren Ballen zu verpflanzen, ihre Wurzeln nicht zu entblößen und vor Allem nicht zu beschneiden. Leiden die Wurzelenden, so büßt das Gewächs zugleich seine Nährgesährtin ein. Diese Symbiose zwischen Wurzeln und Pilzfäden ist sehr verbreitet; nicht nur die angeführten Pflanzen, sondern auch die Becherfrüchtler, d. h. außer der schon genannten Rothbuche, auch Kastanien, Eichen und Haselnußsträucher, dann von anderen Bäumen Birken und Erlen, Weiden und Pappeln, ja selbst die Nadelhölzer weisen sie aus. So stellt ein Wald aus solchen Gewächsen ein imposantes Beispiel symbiotischer Wechselbeziehungen im organischen Reiche dar. Gelangen die aus symbiotische Ernährung angewiesenen Pflanzen in humusfreien Boden, so suchen sie sich demselben dadurch anzupassen, daß sie die Pilzhüllen von den Wurzeln abstreifen. Es geschieht dies durch Streckung der neuangelegten Wurzeln; der schlecht ernährte Pilz folgt dann dem Wachsthum nicht. Die von dem Pilz entblößten Wurzeln senden gleichzeitig seine Härchen aus, welche in ähnlicher Weise mit den angrenzenden Bodentheilchen, wie zuvor die Pilzfäden, verwachsen.
Nadelhölzer, Becherfrüchtler vermögen sich auf solche Weise zu helfen; Erica, Rhododendron, Preißelbeeren und Heidelbeeren gehen bald zu Grunde; doch auch Buchensämlinge gelingt es nicht, in humusfreiem Boden zu erziehen. Setzt man junge Pflanzen in solchen Boden ein, so sterben sie alsbald ab, nachdem die Pilzgefährtin ihnen im Tode voranging. Aus sterilisirtem Humusboden, in welchem man durch Hitze alle Pilzkeime tödtete, vermag der Bnchenkeimling ohne seine Pilzgesährtin Nahrung nicht zu ziehen.
Es ist nach alledem klar, daß man von Pflanzen, die in Humusboden wachsen, auch nicht Stecklinge in Sand setzen darf. Dieselben können dort zwar Wurzeln anlegen, müssen aber alsbald absterben, wenn ihnen nicht rasch Humuserde, und mit dieser die begehrte Pilzgefährtin zugeführt wird, llebrigens sind die meisten Humuspflanzen zu dieser Art der Vermehrung wenig geeignet, so daß es nur selten gelingt, sie aus Stecklingen gut zu erziehen.
III.
Eine bescheidene Genossenschaft anderer Art ist es, die uns in der Familie der Flechten entgegentritt. Bescheiden sind die Anforderungen, welche diese Organismen an die Nahrung stellen, und zum Lohn ist ihnen denn auch ein breiter Raum in der Natur zugewiesen worden. Freilich ist es ein Raum, den ihnen andere Lebewesen nicht geneigt sind, streitig zu machen.
Steigen wir in unseren Alpen bis zur Grenze des ewigen Schnees hinan, so sind es schließlich nur noch die Flechten, die uns begleiten. Ja, wo in Mitten ewiger Schneefelder ein Felsen hervorragt, siedeln sie sich auf demselben an. So hat man sie an den höchsten Gipfeln des Montblanc und des Monte-Rosa gesunden. In den unwirthlichen Gegenden von Sibirien, im arktischen Amerika decken nur noch Flechten die weiten Ebenen, die unbegrenzten Tundren dort bildend. Aus diesen Tundren zieht das Rennthier seine Nahrung; denn Flechten