Die Wechselbeziehungen der Organismen.
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haselnußgroß, die, runzlich an ihrer Oberfläche, oft durch tiefe Spalten zerrissen erscheinen. In frischem Zustande ist diese Flechte grünlich; trocken wird sie grau oder weißlich. Da sich die Pflänzchen leicht von ihrer Unterlage abtrennen lassen, so führt sie der Wind oft weite Strecken fort. Sie sammelt sich dann, in Vertiefungen des Bodens, in dickeren Schichten an. Wirbelwinde heben sie auch Wohl aus den Bergen hoch in die Lüfte empor und mit Regen zugleich fallen sie in den Thälern nieder. Dieses die Ursache des Mannaregens, bei welchem der Volksglaube das Manna vom Himmel fallen läßt. Die Ursache ist die nämliche wie bei dem sogenannten Schwefelregen, der sich in waldigen Gegenden Deutschlands nicht selten einstellt und darauf beruht, daß der Blüthen- staub der Nadelhölzer, durch den Wind gehoben, mit Regen zu Boden fällt. Ich erwähne des Blüthenstaubregens hier als einer analogen Erscheinung, die in der That eine ganz ähnliche Veranlassung wie der Mannaregen hat und Manchem aus unmittelbarer Anschauung bekannt sein dürfte. So wurden die Bewohner von München in einem der letzten Jahre durch einen solchen Schwefelregen überrascht. Dieser Schwefelregen kann so ausgiebig sein, daß er einer ganzen Gegend vorübergehend eine gelbliche Färbung verleiht. — Die Mannaflechte sammeln die Tartaren als „Erdbrod" bis auf den heutigen Tag und bereiten auch thatsächlich eine Art Brot aus derselben. Ueber Mannaregen in den asiatischen Ländern ist auch in neuerer Zeit vielfach berichtet worden, so weit mir bekannt, zuletzt im Jahre 1864.
Eben der Umstand, daß dieses Manna nachweislich nach dem Regen her- niedersällt und daß es auch setzt noch von den Bewohnern asiatischer Steppen als Nahrungsmittel verwerthet wird, führte dahin, es für das biblische Manna zu halten. Auf Grund der Untersuchungen von Carl Ritter, von Tischendorf und von Ebers, ist dieses jedoch nicht anzunehmen. Das biblische Manna entspricht vielmehr den Ausschwitzungen der Manna-Tamariske oder der Tarfa, wie sie die Araber nennen, eines etwa sechs Meter hohen Strauches, der im steinigen Arabien und besonders am Sinai' ganze Wälder bildet. Dieser Strauch schwitzt aber nur in der sinaitischen Wüste das Manna aus und zwar auch dort gerade nur an den von den Israeliten auf dem Zuge aus Aegypten berührten Stellen. — Die Ausschwitzung erfolgt aus Wunden, welche durch den Stich einer Schildlaus (Ooeeus umnuixarus), die eben dort lebt, veranlaßt werden. Die honigartigen, dickflüssigen, glänzend Weißen Tropfen dieses Manna träufeln in der Sonnenhitze des Juni und Juli von den obersten Zweigen des Strauches herunter. Araber und Leute aus dem St. Catharinenkloster am Sinai sammeln dieselben in ledernen Schläuchen und bewahren sie an kühlen Orten auf. Das Manna schmeckt süß, da es zur Hälfte aus Rohrzucker besteht, und hat zugleich ein eigenes, angenehmes Aroma. Die Araber betrachten es als ihren feinsten Leckerbissen, und in der That schmeckt es, auf Brot gestrichen, recht gut, ähnlich wie unser Honig. Die Araber bezeichnen heute noch diese Speise als „Man"; das Wort Manna soll aber von Man kommen, „was ist das?" bedeuten, und auf den Ausruf zurückzuführen sein, den die Kinder Israels ausstießen, als sie am Morgen in der Wüste Sin, nachdem der Thau geschwunden war, die Himmelsgabe erblickten. Von diesem Manna heißt es ausdrücklich im zweiten