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Deutsche Rundschau.
Nicht uninteressant ist es zu verfolgen, in welcher Weise die Jmbaüba- Arneisen in den Besitz ihrer Wohnstätte gelangen. Es ist die Königin des kommenden Ameisenstaates, welche in eine der obersten Kammern eines jungen Jm- baübastammes eindringt, um dort ihre Eier zu legen. Das Eindringen ersolgt an einer ganz bestimmten Stelle, die von außen als ovale Vertiefung kenntlich ist und der alles harte Gewebe mangelt. Einem ererbten Instinkte folgend, wählt die Königin diese Stelle aus, um sie zu durchnagen. Während sie im Innern der Kammer ihre Eier legt, wuchert das gereizte Gewebe an der durchnagten Stelle sehr stark, verschließt die Oeffnung wieder und bietet gleichzeitig der Königin dauernde Nahrung dar. Die Königin benagt die wachsende Stelle und hält dadurch deren Entwicklung in Schranken; war die Königin vor ihrem Eindringen in die Jmbaüba, von einer Schlupfwespe angestochen worden, so liegt sie alsbald todt im Grunde der Kammer; neben ihr macht sich aber eine fette Schlupfwespen-Made breit; dann sieht man auch an der Eingangsstelle die Wucherung, die nicht abgenagt wurde, blumenkohlartig in die Kammer hineinragen. Normaler Weise gelingt es der Königin, eine neue Generation von Arbeiterinnen aus den Eiern zu erziehen. Diese machen die von ihrer Mutter gebohrte Oeffnung wieder frei und erweitern sie noch, um leicht nach außen gelangen zu können. Dann werden, in dem Maße als der Baum emporwächst, an immer höher gelegenen Orten neue Oeffnungen gebohrt. Immer sind es aber die nämlichen vorgebildeten Stellen der Pflanze, an welchen die Bohrung geschieht. Die alten Oeffnungen läßt man Zuwachsen, da sie überflüssig geworden. Denn die Ameisen brauchen nur diejenigen, die sich in der Nähe der Blätter befinden. Die Verbindung zwischen den einzelnen Kammern des Stammes unterhalten andererseits Oeffnungen, welche in das dünnwandige, die Kammern scheidende Gewebe gebissen werden.
Wie so viele andere Ameisen halten sich auch diejenigen des Jmbaübabaumes Schildläuse, welche sie melken. Diese weiß gefärbten Schildläuse findet man nie draußen am Baum, stets nur im Innern der Kammern, in welchen sie gepflegt und gefüttert, dafür aber auch entsprechend ausgenutzt werden. Nach der Angabe von Belt wird die Königin meist von einem Dutzend solcher Schildläuse umgeben.
So wäre uns denn bei der Jmbaüba eine dreifache Symbiose entgegengetreten: von Pflanze, Ameise und Schildlaus.
Daß es sich aber bei der Beziehung der Jmbaüba zu den Ameisen um eine wirkliche Anpassung handelt, lehrt der Vergleich mit solchen Arten der Gattung Cecropia, die ohne Ameisen leben. Schimper fand eine solche Art aus dem Berge Corcovado bei Rio de Janeiro. Diese Corcovado-Cecropia, wie sie hier kurz genannt werden mag, braucht des Ameisenschutzes nicht, da sie von Blattschneidern nicht erklettert werden kann. Ihr von Wachs überzogener Stamm ist so glatt, daß die Ameisen auf demselben ausgleiten; demgemäß sucht man bei dieser Pflanze auch nach den Grübchen vergebens, die sich bei der Jmbaüba an jenen Stellen befinden, die durchbohrt werden sollen. Auch sind an jenen Stellen die Gewebe hier weit härter und resistenter. Ebenso wie die Bohrstellen, gehen der ameisenfreien Corcovado-Cecropia auch die eiweißhaltigen Haare ab.