Aus Karl Friedrich Reinhard'» Leben.
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Und in dem Briefe vom 27. Pluviose (16. Februar) setzt er die Verthei- digung gegen den Oheim in folgender Weise fort:
„Sie erweisen mir zu viel Ehre oder meinem adoptirten Vaterland zu wenig, wenn Sie glauben, daß das Gute, zu dem Sie mir den Willen Zutrauen, auf den Gang der Dinge einfließen könne. Wollt' ich eine solche Hoffnung mir zueignen, so würd' ich nicht nur den Menschen Unrecht thun, die die Sache, die auch Ihnen noch theuer ist, zum Ziele führen, sondern der Sache selbst. Hier ist mein Glaubensbekenntniß: Diejenigen Patrioten, die gradweise, nach Anleitung der Geschichte und der Erfahrung Frankreich ins Gebiet der Freiheit einführen wollten, hat der 10. August vernichtet. Die Republikaner, die nach den Gesetzen der Moral und der Vernunft die Republik zu erhalten strebten, fielen als Opfer des 31. Mai. Ich gehörte zu beiden, und nur meine Entfernung von Paris und meine subalterne Lage retteten mich. Was übrig blieb, waren Trümmer. Nur die beiden großen Parteien der Royalisten und der Republikaner, ohne Erziehung und Kenntnisse, ohne Stützen für innere Moralität, bildeten noch ein furchtbares Ganzes. Die Natur der Sache wollte jedoch, daß die Reste des 31. Mai an die Spitze der Autoritäten kämen, die die Constitution in den Gang bringen sollten. Zu schwach an Zahl, sich durch sich selbst zu erhalten, stützten sie sich wechselsweise aus jene wilden Parteien. Die royalistische hatte vor dem 18. Fructidor das entschiedenste Uebergewicht. Tie Republikaner von allen Elasten waren auf dem Punkt, mit der Republik verschlungen zu werden. Es ist Thatsache, daß, die Emigration abgerechnet, die Revolution seit 1792 ohne Vergleichung mehr Republikaner verschlungen hat als Royalisten. Die Opfer der Revolution insgesammt auf 25 000 berechnet — unter dieser Zahl, die Einige auf mehr als das Dreifache setzen, bestand vielleicht die Hälfte aus Republikanern von Moralität, Talent und Energie, fähig sich an die Spitze zu stellen. Und dies ohne die Armeen, wo die Blüthe der neuen Nation fiel! Nun kam der 18. Fructidor. Administrationen, Tribunale, Finanzcollegien, Municipalitäten waren mit Creaturen des Carnot'schen Systems besetzt, das ganz in die Hände des Rohalismus gerathen war. Ein fürchterliches System gegen die Regierung, die Kirchengüterkäuser, die Freunde der Republik, die Apostaten des Katholicismus war organisirt, Mord und Straßenraub gehörten in den Plan ebenso sehr als Jntrigue und Heuchelei. Selbst ehrliche Menschen, die der republikanischen Regierung treu geblieben wären, Hütte die Hoffnung des wiederherzustellenden Königthums ihre Vorurtheile nicht wieder belebt, waren für die neue Epoche unbrauchbar geworden. Richten Sie nun nach diesen Voraussetzungen das Verfahren des Directoriums. Man hat deportirt, ohne Urtheil und Recht, das ist der einzige Vorwurf. Aber diesen abgerechnet, welche Mäßigung im ganzen Gang der Regierung! Beinahe, was unmöglich schien, ist man schon dahin gekommen, solche Leidenschaften einer so gestimmten Nation durch den gewöhnlichen Gang der Gesetze zu zähmen. Die Royalisten schweigen: diese sind unter dem Druck; die Terroristen klagen: sie haben den 18. Fructidor nicht an sich zu reißen vermocht. Das Kriterium unseres Zustandes werden die Wahlen sein. Davon läßt sich für jetzt unendlich mehr hoffen als fürchten. Und die äußere Politik. Ich glaube ihr System gefaßt zu haben- Die Schweiz gehört zum Gürtel von Republiken; in diesem Augenblick ist die Revolution gemacht, und das Directorium hat dann im Grunde doch nur die Entwicklung der Keime beschützt. Auf dem rechten Rheinufer brechen Gührungen aus (vielleicht zerstreute Pulverkörnchen der Mine, die auf den Fall gelegt war, wenn der Krieg fortgedauert hätte), die französische Regierung hilft sie unterdrücken und Augörau wird ganz gewiß auch darum entfernt; die Einnahme der Mannheimer Schanze verdamm' ich wegen des unnützen Blutvergießens; als entschlossener Schritt, einen nicht mehr zu beugenden Plan durchzusetzen, kann sie vertheidigt werden. Dieser Plan selbst? O mein Freund, vom Völkerrecht lassen Sie uns nach dem Frieden sprechen, der es schaffen wird. England! entweder Landung oder Reform; denn England gehört zu unserem Sonnensystem. Das Gesetz über die neutrale Flagge? Offene Erklärung von Repressalien gegen das Verfahren, das England während des ganzen Krieges beobachtet hat. Auf den Augenblick berechnet unpolitisch vielleicht, wenn der Krieg lange währen sollte; ungerecht? es gibt keine Gerechtigkeit im Kriege — die Gerüchte über Vernichtung freier Staaten? Sie sind falsch. Geld verlangt man allerdings (ich hütt' es nicht, oder nicht so verlangt), aber man garantirt dafür Alles, was das höchste Gut eines freien Staates ist. Und Geld ist ja nur Mittel zum Genuß. Nun zum dritten Punkt. Die Moralität der Menschen, die am Ruder sitzen! Die innere Zwie-