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Deutsche Rundschau.
Stelle der Küste zu landen, sich an einen im Sultanat Witu gelegenen Ort begibt, wo etwaige Gewaltthaten der Engländer weniger zu befürchten waren. — Die „Neera", kaum nach Lamu zurückgesandt, wird sofort von den Engländern, die sich inzwischen in drei Schiffen hierher begeben haben, mit Beschlag belegt, obwohl ihr das Einlaufen in Lamu gestattet sein sollte, wenn weder Kriegswaffen noch vr. Peters sich an Bord befänden. — Daß Letzterer schon das Festland betreten hat, verursacht dem Admiral Freemantle einen betrüblichen Zornansall, welcher humoristisch geschildert wird. Die „Neera" wurde bekanntlich consiscirt und erst durch einen langen Proceß wieder gewonnen.
Nach Ueberwindung dieser Schwierigkeiten, die der Leser unwillkürlich alle mit erlebt, athmet man auf und hofft, die Sache werde nun besser vorwärts gehen; allein vr. Peters sollte Gelegenheit erhalten, zu beweisen, daß er auch noch Mißständen anderer Art gewachsen sei. Zunächst stellt es sich als außerordentlich schwer heraus, im Sulianat Witu Träger zu erhalten. Nur eine geringe Zahl wird angeworben, dagegen die Disciplinirung der vorhandenen energisch durchge- sührt. Da sich erheblich mehr Lasten als Träger vorfinden, so sieht der Reisende sich genöthigt, seine Karawane in zwei Theile zu ordnen, deren einer der Führung des Capitänlieutenant Rust anvertraut wird. Diese Colonne sollte der vom Chef geführten in einiger Zeit Nachfolgen, ging aber nach kurzer Reise Tana-auswärts rühmlos zu Grunde.
Mit einer geringen Anzahl Träger bricht vr. Peters endlich aus, doch immer noch verfolgt ihn das Mißgeschick. In Engatana, wo er Vorräthe zu finden hofft, ist Hungersnoth; selbst bei bestem Willen können die Eingebornen keine Nahrungsmittel liefern, diese müssen von fern herbeigeschafft werden. Zu diesem Mißgeschick gesellt sich der Umstand, daß nur unter den größten Anstrengungen die wilde Natur überwunden Werden kann. Durch dicht verworrenes Gestrüpp muß mit Axt und Messer der Weg gebahnt werden. Im Sumpfe sitzen die Kameele fest und mit Hebebäumen müssen sie herausgezogen werden. Obwohl vr. Peters gehofft hat, im Sultanat Witu einen Stützpunkt für seine Operationen zu finden, sieht er sich hierin doch getäuscht. Die Leute sind verlogen und wissen nichts über ihr eigenes Land. Selbst auf dem oft begangenen Pfade verlieren sie sich, und die Expedition geräth in die Irre. Ueber das Land äußert sich der Reisende nicht sehr anerkennend; es macht auf ihn „einen pauvren Eindruck". In Witu empfängt er eine Anzahl Somalis, welche ihm versprechen, sich ihm gegenüber freundschaftlich zu Verhalten. Der Plan, sich mit ihnen zu verbinden, welchen Peters als seine eventuelle Absicht entwickelt, zeigt wieder die kühne, fast romantische Entschlossenheit, die ihn charakterisirt. In Engatana, welches nach einem anstrengenden Marsch erreicht wird, sieht sich die Expedition gezwungen, eine Zeit lang liegen zu bleiben, da erst aus Booten Getreide herbeigeschafft Werden muß. Während dessen entlaufen nach und nach die Träger; die englische Expedition unter Mr. Smith marschirt aus der anderen Seite des Flusses vorüber, was auch nicht gerade dazu beiträgt, die Stimmung des deutschen Führers zu erhöhen. Am schlimmsten aber ist, daß vr. Peters erkrankt, wodurch sein Körper geschwächt und seine starke Willenskraft beeinträchtigt wird. Das schreckliche Regenwetter bedrückt außerdem sein Gemüth, und er gibt in einigen Privatbriefen nach Europa diesen Stimmungen Ausdruck.