Erinnerungen an Heinrich Schliemann.
Damit schien die Sache für mich und, soviel ich weiß, für alle Gelehrten abgethan; auch Herrn Sayce bin ich auf diesem Gebiete nicht wieder begegnet. Um so mehr überraschte mich ein förmlicher Absagebrief Schliemann's voll heftigster Vorwürfe. Sein erster Zorn sah in jenem Artikel nur Angriffe auf den Werth seiner Arbeiten und Funde, ja — wie er mir in dem gewohnten klassischen Griechisch feierlich auseinandersetzte, — einen Versuch, das Vaterland zu schädigen, da ich seinen Besitz in den Augen Anderer zu entwerthen suche. Meine Antwort, welche Persönliches vom Sachlichen schied und Wohl hätte befriedigen können, ergab sich fast von selber; doch bezweifle ich, ob sie unmittelbar ihren Zweck erreichte. Wenigstens schwieg er lange Zeit, bis die ruhige Erwägung, schwerlich eine Sinnesänderung bezüglich der „Inschriften", ihn versöhnlicher gestimmt haben mochte. Als ich ihn bei einem erneuten Besuche Athens (1886) zum ersten Male in einer Gesellschaft wiedersah, begrüßte er mich scherzend mit den Homerversen, die Voß also übersetzt:
„Aber vergangen ja sei das Vergangene, kränk' es auch innig;
Unfern Muth im Herzen bezähmen wir auch Gewalt uns!"
Vergeblich suchte ich die Schuld auf das „Verhängniß" abzuwälzen:
„-Dessen sind wir nicht
Schuldig, ein schlimmer Dämon war's und das böse Verhängniß."
Am nächsten Tage erhielt ich eine Karte, welche nichts enthielt, als die Worte, welche ich hätte sprechen sollen:
„Freude Dir, Vater und Gast, und ward ein kränkendes Wort ja Hingeschwatzt, schnell mögen hinweg es raffen die Stürme."
Es blieb also dabei, ich war der Schuldige!
Fortan aber hatte sich das alte, ungetrübte Verhältniß wieder hergestellt. Gemeinsame Interessen und Ziele, über die wir bereits vor Jahren verhandelten, kamen aufs Neue zur Sprache. Vor Allem lag mir Kreta am Herzen. Längst glaubte ich mit Erfolg dargelegt zu haben, daß Kreta schon vermöge seiner Lage der älteste und wichtigste Kreuzungspunkt jener Einflüsse gewesen sei, aus denen sich die „mykenische" Cultur zusammensetzte. Hier mußte sie sogar ihre erste Ausgestaltung empfangen haben. Denn unverkennbar tritt aus der sagenhaften Umhüllung schon bei den homerischen Sängern als historische Thatsache hervor die uralte Epoche, welche wir als die Seeherrschast des kretischen Jnselkönigs Minos kennen. Mancherlei verheißungsvolle Einzelfunde konnten bereits zu weiterer Begründung dieser Annahme herangezogen werden. Niemand schien berufener, das in Mykene begonnene Werk auf Kreta durch systematische Ausgrabungen zu krönen, als Schliemann selber.
Bereitwillig war dieser auf solche Pläne eingegangen. Im Frühjahr 1883, bald nach dem Erscheinen meiner Schrift, schien die Angelegenheit bereits in Fluß zu kommen. Schliemann's Buch über seine letzten Ausgrabungen aus Troja war im englischen Manuscript gerade vollendet. Die Briefe, welche ich von ihm noch besitze, lassen erkennen, wie sein Interesse sich nun auf Kreta wirft. Er hatte dem türkischen Gouverneur der Insel, Photiadis Pascha, das Anerbieten gemacht, einen Ausgrabungsvertrag unter den gleichen Bedingungen abzuschließen, wie das Deutsche Reich mit Griechenland in Bezug auf Olympia, fügte aber gleich die