Heft 
(1891) 67
Seite
289
Einzelbild herunterladen

Erinnerungen an Heinrich Schliemann.

289

Die Sachverständigen gaben ihre, mit Schliemann und Dörpseld übereinstimmenden Ansichten zu Protokoll. Das gleiche Resultat hatte Ende März 1890 eine wiederum von Schliemann an Ort und Stelle berufene internationale Gelehrten- conferenz. Schon damals wurde von dem Unermüdlichen für das nächste Früh­jahr eine neue Ausgrabungscampagne beschlossen. Aber eben dort führte auch eine heftige Erkältung den acuten Zustand jenes Ohrenleidens herbei, welches ihn am 26. December zu Neapel aus das Todtenbett geworfen hat.

Dieser Verlauf der Ereignisse muß uns mit verstärkter Wehmuth, ja mit Bitterkeit erfüllen. Man hebt Wohl hervor, daß der durch Bötticher veranlaßt^ Streit immerhin den Erfolg gehabt habe, zu weiteren Forschungen beim Hissarlik- hügel anzuregen. Niemand aber wird leugnen, daß diese nur Bestätigungen und Aufklärungen im Einzelnen, kaum wesentlich Neues zu unserer Kenntniß einer so oft untersuchten und verhältnißmäßig einförmigen Cultur hinzubringen konnten.

Nicht an und für sich, sondern um der Zurücksetzung willen, welche Schlie- mann's Absichten auf Kreta deshalb erfahren mußten, beklagen wir die Wendung der letzten Jahre. Wenn auch nicht in diesem ursächlichen Zusammenhänge, so finde ich doch in allen Nachrufen, die dem unvergeßlichen Todten bisher von kundiger Seite gewidmet wurden, unter den mit ihm zu Grabe getragenen Er­wartungen immer wieder den Namen Kreta betont.

Vielleicht ist dennoch nicht alle Hoffnung aufzugeben. Noch lebt Schliemanws Geist und Feuereifer in seiner hochsinnigen Gemahlin fort. Zuverlässig erfahre ich, daß sie auch das Testament seiner unerledigten Forschungen anzutreten ge­denkt, ja bereits angetreten hat. Sie war stets die erste Vertraute und die verständnißvollste Pflegerin seiner Pläne.

Schon seit Jahren hat die überaus verdiente archäologische Gesellschaft der Griechen selber aus ihrem eigenen Boden den Resten jener wundersamen Glanzzeit des zweiten vorchristlichen Jahrtausends nachspüren lassen. Ihrem ausgezeichneten Ephoros, Herrn Tsuntas, sind auf der Burg von Mykene wie im Gebiete von Sparta herrliche Entdeckungen gelungen.

Wenn nun unsere Kunde von dieser sagenumwobenen Vorzeit, mit der bereits unzertrennlich der Name Schliemamüs verknüpft ist, ihre Ergänzung außerhalb des heutigen Königreiches sucht, dann vermag kein anderes Unternehmen dem Geiste und dem Gedächtnisse des Entschlafenen gerechter Zu werden. In der Aufdeckung einerMykene-Cultur" hat sich, auch mit homerischem Maßstabe gemessen, Schliemann's Lebensziel doch wahrlich nicht weniger verwirklicht, als in der des bevorzugtenIlion".

Deutschs Rundschau. XVII, 8.