Heft 
(1891) 67
Seite
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Politische Rundschau.

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Als das Unheil in New-Orleans geschehen war, wurde sogleich mit geschäftiger Eile versichert, daß diegelynchten" Italiener sämmtlich naturalisirte Bürger der Vereinigten Staaten geworden wären; eine Behauptung, die dadurch erhärtet werden sollte, daß die Namen der Ermordeten sich in den Wählerlisten besänden. Allerdings würde selbst eine solche Thatsache kaum beweisen, daß die betheiligten Italiener nun auch wirklich das amerikanische Bürgerrecht erlangt, mithin aus den Schutz ihres Vaterlandes keinerlei Anspruch haben. Ist doch sehr wohl bekannt, wie in der Hitze des amerikanischen Wahlkampses oft genug die beiden erforderlichen Zeugen im Interesse ihres Kandidaten auch die Eintragung der Namen von Solchen in die Wählerlisten erwirken, die keineswegs den Bedingungen sür die Naturalisation Genüge leisteten. Sehr bald zeigte sich auch die Vergeblichkeit des Versuches, die Intervention der italienischen Regierung abzulenken, als von amerikanischer Seite zugestanden werden mußte, daß ein Theil der Ermordeten das italienische Bürgerrecht nicht ausgegeben habe.

Mit Recht durfte man darauf gespannt sein, wie der Nachfolger Crispi's in der Leitung der italienischen Regierung, insbesondere der auswärtigen Angelegenheiten, Rudini, den Zwischenfall auffassen würde. Die Zustimmung, die der italienische Conseilpräsident im Hinblick auf fein energisches Vorgehen bei den Organen aller Parteien mit Ausnahme der Klerikalen gefunden hat, beweist am deutlichsten, daß die Erklärung, unverzüglich den Gesandten in Washington abzuberufen, falls nicht voll­ständige Genugthuung gewährt würde, der öffentlichen Meinung in Italien durchaus entsprach. Auf zwei Punkte legte der italienische Gesandte in den Vereinigten Staaten, als er den Standpunkt feiner Regierung darlegte, mit Fug das hauptsächliche Gewicht: daß das regelmäßige Verfahren gegen die Schuldigen unverzüglich eingeleitet und den Familien der Opfer von New-Orleans eine ausreichende Entschädigung gewährt werde. Wurde mehrfach angenommen, daß der Staatssekretär des Auswärtigen der Vereinigten Staaten, Blaine, um so eher geneigt sein könnte, Schwierigkeiten zu bereiten, als mit Rücksicht auf die im nächsten Jahre bevorstehende Präsidentenwahl in der Union eine internationale Verwicklung das Prestige des gegenwärtigen Präsidenten und seines Staatssecretärs heben könnte, so durfte der Letztere doch nicht im Zweifel fein, daß das Rechtsgesühl im gesammten Europa auf Seiten der italienischen Regierung wäre. So erklärte denn Blaine ohne Weiteres, daß die Regierung der Vereinigten Staaten die Pflicht, die Familien der ermordeten Italiener zu entschädigen, anerkenne. Minder unzweideutig war die Erwiderung auf das Verlangen, daß das regelmäßige Verfahren gegen die Schuldigen unverzüglich eingeleitet werde. Unter dem Vorwände, daß die Unionsregierung nicht in der Lage fei, die Bestrafung der angeblich Schuldigen zuzu­sichern, erhob der Staatsfecretär Blaine Competenzbedenken, die um so grundloser waren, als die italienische Regierung keineswegs die unverzügliche Bestrafung, sondern die Einleitung des regelmäßigen Verfahrens verlangt hatte. Wird aber in der amerikanischen Presse hervorgehoben, daß die Bundesregierung der Stadt New-Orleans und dem Staate Louisiana gegenüber in diesem Falle machtlos wäre, da der Präsident der Vereinigten Staaten nur den Gouverneur des letzteren Staates auffordern könnte, Bericht zu erstatten, um feine entsprechenden Maßregeln zu treffen, so erscheint dieser Einwand wenig stichhaltig. Mit Recht würde jede europäische Regierung derjenigen der Vereinigten Staaten erwidern, daß diese keineswegs sich durch derartige Competenz­bedenken zurückhalten lasse, selbst Beschwerde zu führen, sobald ein amerikanischer Bürger, der zufällig in Europa verweile, sich irgendwie gekränkt fühle, wobei dann die gesummte amerikanische Presse den Chor zu bilden Pflege.

Jedenfalls ist es eine ans den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts folgende Pflicht der Unionsregierung, dahin zu wirken, daß die regelmäßige gerichtliche Unter­suchung gegen die Mörder der angeklagten Italiener von New-Orleans eingeleitet werde, da die Regierung der Vereinigten Staaten den Anspruch erhebt, den inter­nationalen Verkehr nach den sür civilisirte Nationen geltenden Grundsätzen zu pflegen. Wenn aber der Anführer der Mörder von New-Orleans, Parkerson, erklärt, daß er sich keineswegs vor einer gerichtlichen Untersuchung fürchte, vielmehr auf feine Frei-