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Deutsche Rundschau.
sprechung durch die Jury rechnen dürfe, so mag dieses Vertrauen für die amerikanischen Rechtszustände sehr charakteristisch sein; es entbindet jedoch die Unionsregierung nicht von der Pflicht, Herrn Parkerson vor Gericht stellen zu lassen. Freilich wird es sich dann empfehlen, nicht etwa eine Jury von New-Orleans über den Fall entscheiden zu lassen, sondern ein anderes Schwurgericht, das minder besangen ist, mit dem Verdicte zu betrauen. Nach amerikanischem Rechte wäre dies durchaus zulässig, sollten auch die Empfindlichkeiten in New-Orleans oder im Staate Louisiana erregt oder gar die „berechtigten Eigenthümlichkeiten" der Südstaaten der Union ins Treffen geführt werden.
Daß in Italien das energische Vorgehen des Conseilpräsidenten Rudini auch dazu beigetragen hat, die Stellung des neuen Cabinets zu befestigen, kann nicht überraschen. Die wiederholten Erklärungen, welche der italienische Ministerpräsident und Leiter der auswärtigen Politik hinsichtlich des treuen Festhaltens an der Tripelallianz abgegeben hat, waren ebenfalls geeignet, die Stetigkeit in dieser auswärtigen Politik erkennen zu lassen, so daß die von betheiligter Seite ausgehenden Verdächtigungen aus unfruchtbaren Boden fallen mußten. Da die Widersacher des europäischen Friedensbündnisses in jüngster Zeit sich insbesondere auf eine Kundgebung des ehemaligen Unterrichtsministers der Consorteria, Bonghi, berufen, darf daran erinnert werden, daß dieser stets darauf rechnete, wieder maßgebenden Einfluß zu erlangen, sobald ein Ministerium der Rechten berufen würde. Um so größer mußte daher die Enttäuschung Bonghi^s sein, als der Führer der jungen Rechten, Rudini, mit der Neubildung des Cabinets betraut, aus die Dienste des franzosenfreundlichen Staatsmannes verzichten zu können glaubte.
Immerhin ist es von Interesse, die Gesichtspunkte kennen zu lernen, von denen aus Bonghi die Tripelallianz beurtheilt. Während nach allen früheren Versicherungen Crispi's und den gegenwärtigen Rudini's kein Zweifel darüber bestehen kann, daß das Bündniß der europäischen Centralmächte einen überwiegend defensiven Charakter hat, behauptet Bonghi, der Dreibund sei eine Liga gegen Frankreich. Allerdings unterläßt dieser Staatsmann nicht, hinzuzusügen, daß er den Vertrag nicht kenne; eine That- sache, die zwar auf die Unbefangenheit oder Naivetät der Beurtheilung, jedoch nicht auf die Sachkenntniß des Urtheilenden schließen läßt. Trotzdem versichert dieser ganz ernsthaft, daß die Tripelallianz sehr an Credit verloren habe, und daß sie, falls sie erneuert werden sollte, doch nicht mehr die sichere Grundlage der europäischen Politik bilden würde. Bonghi erweist sich zugleich als Conjecturalpolitiker, indem er, von der Ansicht ausgehend, daß Frankreich in militärischer und wirthschastlicher Hinsicht viel stärker geworden sei, als die Urheber der Tripelallianz vorausgesehen hätten, versichert, daß es zwischen Frankreich und Rußland gar keines Bundesvertrages bedürfe, da zwischen ihnen ein gemeinschaftliches Interesse bestehe, das stärker sei als jeder Vertrag. Bonghi betont zugleich, daß unter gewissen Voraussetzungen wie die italienischen Radicalen auch die gemäßigten und conservativen Parteien bereit sein würden, ihre Freundschaft für Frankreich laut zu bekunden und jedes ihm feindliche Bündniß unmöglich zu machen. Da zugleich darauf hiugewiesen wird, daß Frankreich sein Entgegenkommen beweisen solle, indem es auf den Zollkrieg gegen Italien verzichte, gerade wie Cavour und Napoläon III. im Jahre 1859 das politische Bündniß zwischen Frankreich und Piemont durch die Handelsfreiheit cingeleitet hätten, braucht nur auf die ausgeprägt schutzzöllnerischen Bestrebungen der französischen Kammern hingewießn zu werden. Als im vorigen Jahre die italienische Regierung eine Reihe von Zollerleichterungen gewährte, acceptirte Frankreich diese Zugeständnisse bereitwilligst, ohne jedoch das geringste Aequivalent zu bieten. Der große französische Zollausschuß, der mit den Vorschlägen behufs Festsetzung eines neuen Generaltarifs beauftragt war, hat denn auch seine Arbeiten in diesem Sinne abgeschlossen, der mit den Vorschlägen Bonghlls schlecht im Einklänge steht. Sind nun aber die Franzosen aus handelspolitischem Gebiete wenig geneigt, irgend welche Zugeständnisse zu machen, so bewegt sich Bonghi in Bezug auf die allgemeinen internationalen Verhältnisse noch weit mehr in Illusionen. Die ernsthaften italienischen Staatsmänner wissen sehr Wohl, welche Bedeutung die Tripelallianz gerade für Italien hat. Obgleich Bonghi für sich die