Unwiederbringlich.
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Frage der Zeit. Uebrigens haben sich Beide, der Lord und Ebba, nichts vorzuwerfen; er, wie so viele seines Gleichen, soll schon mit vierzehn ein ausgebrannter Krater gewesen sein und heirathet Ebba nur, um sich etwas vorplaudern zu lassen, und von diesem Standpunkt aus angesehen, hat er eine gute Wahl getroffen. Sie wird jeden Tag Dinge sagen und später auch Wohl Dinge thun, die Seine Lordschast srappiren, und vielleicht zündet sie 'mal die fünfzehn Millionen Tannen an und stellt bei der Gelegenheit sich und den Eheliebsten in die rechte Beleuchtung. Und nun tont a vous, denn Tristan. Ihr Pentz."
So hatte damals der Brief gelautet, und die zwei Zeilen in der „Times" waren nichts als die Bestätigung. „Es ist gut so," sagte Holk nach einer Weile. „Das gibt reinen Tisch. Ihr Gespenst ging immer noch in mir um und war nicht ganz zu bannen. Nun ist es geschehen durch sie selbst; Alles fort, Alles verflogen und ob Christine mir auch verloren bleibt, vielleicht verloren bleiben muß, ihr Bild wenigstens soll in meinem Herzen wieder den ihm gebührenden Platz haben."
Unter diesem Selbstgespräche nahm er die bei Seite gelegte Zeitung wieder in die Hand und wollte sich ernsthaft in eine Berliner Korrespondenz vertiefen, die ziemlich ausführlich, so schien es, von einer Heeresverdoppelung und einer sich dagegen bildenden Oppositionspartei sprach. Aber er hatte heut keinen Sinn dafür und sah bald über das Blatt fort. Von der nahen Sanct Pancras-Kirche, deren Thurm er dicht vor Augen hatte, schlug's eben neun, und durch die Southamptonstraße, die den Square an der ihm zugekehrten Seite begrenzte, rollten Cabs und wieder Cabs, die von der Euston-Square-Station herkamen und dem Mittelpunkt der Stadt Zufuhren. Er brach, um damit zu spielen, ein dicht herabhängendes Platanenblatt ab, und erst als er die Spatzen über sich immer lauter quiriliren hörte, nahm er etliche Krumen und streute sie vor sich hin auf den Balkon. Sofort fuhren die Spatzen aus dem Gezweig hernieder, pickend und kriegführend unter einander, aber schon im nächsten Augenblicke huschten sie wieder auf, denn, von der Hausthür her, klang ein dreimal rasch wiederholtes Klopsen, das Zeichen, daß der „Postman" an der Thür sei: Holk, der am folgenden Tage Geburtstag hatte, horchte neugierig hinunter, und gleich darauf trat Jane ein und überreichte ihm vier Briefe.
Schon die vier Poststempel Gnadenfrei, Bunzlau, Glücksburg, Arnewiek ließen Holk keinen Augenblick in Zweifel, von wem die Briefe kamen, und auch ihr Inhalt schien ihm nicht viel Neues bringen zu sollen. Asta und Axel sprachen steif und förmlich und jedenfalls ziemlich kurz ihre Gratulationen aus, und auch Petersen, der sonst ausführlich zu schreiben pflegte, beschränkte sich heut aus eine Darbringung seiner Glückwünsche. Holk war nicht angenehm davon berührt und fand seine gute Stimmung erst wieder, als er auch Arne's Brief geöffnet und gleich den ersten Zeilen allerlei Liebes und Freundliches entnommen hatte. „Ja," sagte Holk, „der hält aus. Unverändert derselbe. Und wäre doch eigentlich der, der am ehesten mit mir zürnen dürste." Der Bruder seiner geliebten Schwester. Aber freilich, da liegt auch wieder Grund und Erklärung. Er liebt die Schwester und vergöttert sie fast. Aber er hat lange genug gelebt, um, trotz aller Junggesellenschaft, sehr Wohl zu wissen, was es heißt, an