Heft 
(1891) 67
Seite
335
Einzelbild herunterladen

Unwiederbringlich.

335

Ich glaube, lieber Holk, daß Sie's mit Ihrem Wort getroffen haben Christine will vergessen, aber sie kann es nicht."

Und hat sie sich in diesem Sinn gegen Sie geäußert? Hat sie zu verstehen gegeben, daß Alles doch umsonst sei?"

Das nicht."

Und doch leben Sie dieser Ueberzeugung."

Ja, lieber Holk, leider. Aber Sie dürfen aus diesem mich allerdings be­herrschenden Gefühle nichts Schmerzlicheres und namentlich auch nichts Gewisseres ableiten wollen als nöthig, als zulässig ist. Ich Weiß nichts Gewisses. Denn wenn ich auch nach wie vor der Gegenstand von Christinens Freundschaft bin und wie könnt' es auch anders sein, zeigt ihr doch jede Stunde, wie sehr ich sie liebe so bin ich doch nicht mehr der Gegenstand ihrer Mittheilsamkeit. Wie sie gegen Alle schweigt, so auch gegen mich. Das ist freilich etwas tief Trauriges. Sie war daran gewöhnt, ihr Herz gegen mich auszuschütten, und als Wir da­mals, ein unvergeßlich schmerzlicher Tag, aus dem Hause gingen und erst im Dorfe unten und dann in Arnewiek und zuletzt in Gnadenfrei die schwere Zeit gemeinschaftlich durchlebten, da hat sie nichts gedacht und nichts gefühlt, was ich nicht gewußt hätte. Wir waren zwei Menschen, aber wir führten nur ein Leben, so ganz verstanden wir uns. Aber das war von dem Tage an vorbei,

wo Christine wieder hier einzog. In ihrem feinen Sinn sagte sie sich, daß nun

wieder eine neue Glücks- und Freudenzeit angebrochen sei oder wenigstens an­brechen müsse, und weil ihr Verzeihung, lieber Holk, wenn ich dies aus­spreche weil ihr die rechte Freude doch Wohl ausblieb und ihr andererseits ein weiteres Klagen unschicklich oder Wohl gar undankbar gegen Gott erscheinen mochte, so gewöhnte sie sich daran, zu schweigen, und bis diesen Tag muß ich errathen, was in ihrer Seele vorgeht."

Holk blieb stehen und sah vor sich hin. Dann sagte er:Liebe Dobschütz, ich kam, um Trost und Rath bei Ihnen zu suchen, aber ich sehe Wohl, ich finde davon nichts. Ist es so, wie Sie sagen, so weiß ich nicht, wie Hülfe kommen soll."

Die Zeit, die Zeit, lieber Holk. Des Menschen guter Engel ist die Zeit."

Ach, daß Sie Recht hätten. Aber ich glaub' es nicht; die Zeit wird nicht

Zeit dazu haben. Ich bin nicht Arzt, und vor Allem Verzicht' ich daraus, in Herz und Seele lesen zu wollen. Trotzdem, so viel seh' ich klar, wir treiben einer Katastrophe zu. Man kann glücklich leben, und man kann unglücklich leben, und Glück und Unglück können zu hohen Jahren kommen. Aber diese Resignation und dieses Lächeln das Alles dauert nicht lange. Das Licht unseres Lebens heißt die Freude, und lischt es aus, so ist die Nacht da, und wenn diese Nacht der Tod ist, ist es noch am besten."

-i- -i-

>1-

Eine Woche später war eine kleine Festlichkeit auf Holkenäs, nur der nächste Freundeskreis war geladen, unter ihnen Arne und Schwarzkoppen, auch Petersen und Elisabeth. Man saß bis Dunkelwerden im Freien, denn es war trotz vor­gerückter Jahreszeit eine milde Luft, und erst als drinnen die Lichter angezündet wurden, verließ man den Platz unter der Halle draußen, um in dem großen Gartensalon zunächst den Thee zu nehmen und dann ein wenig zu musiciren.