Heft 
(1891) 67
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Dmtsche^Rundschau.

Italiener erinnert in dieser Musik nichts, außer den Dingen, welche damals in allen Opern Gemeingut waren; viel entschiedener macht sich Gluck als Vorbild bemerkbar. Aber auch jene von Schulz gefundene volkstümliche norddeutsche Liedweise klingt an, in einigen Jnstrumentalsätzen der Volkstanz, und mit dem Liede vom Ritter Oller tritt zum ersten Male die nordische Ballade in einer congenial erfundenen Weise in die Opernmusik ein. In dem großen Erfolge, denHolger Danske" hatte, offenbarte sich denn auch, daß das dänische Volk sich von dieser Musik innerlich getroffen fühlte. Kunzen verließ noch- einmal Dänemark, kehrte aber 1795 als Nachfolger von Schulz dahin zurück, nachdem er sich inzwischen in Deutschland mit Mozart's Musik vertraut gemacht hatte. Er hat dann noch eine große Anzahl dänischer Opern geschrieben. 1817, im Geburtsjahre Niels W. Gade's, ist er gestorben.

Seine Erbschaft traten Friedrich Kuhlau aus Uelzen und C. E. F. Weyse aus Altona an. Kuhlau hatte die glänzenderen Erfolge: im Jahre 1811 erschien der Fünfundzwanzigjährige zuerst in der Öffentlichkeit Kopenhagens; nach drei Jahren gewann er sich die dauernde Gunst der Dänen durch seine Erstlingsoper Die Räuberburg". Wenn in neuerer Zeit von dänischer Seite angedeutet worden ist, die Eigenart der romantischen Oper sei in Dänemark eher zur Er­scheinung gekommen, als in Deutschland, so kann das freilich nicht schlechthin zugestanden werden, aber etwas Wahres ist daran. Was Kuhlau betrifft, so war er ein äußerst geschickter Musicus, aber als Componist nur Anempfinder, nicht Selbstschöpfer. In derRäuberburg" lehnt er sich an Cherubim an, was damals fast alle deutschen Operncomponisten thaten.Lodoiska" ist das Haupt­vorbild, schon die vielfachen Ähnlichkeiten des Gegenstandes mußten dies bewirken; am Anfänge des dritten Actes findet sich eine Studie nach demWasserträger", zu dem canonischen Terzett hatFaniska" das Muster geliefert. Anklänge an Mozart und andre treten mehr nur in Einzelheiten hervor. Nun wurzeln zwar auch die deutschen Romantiker vielfältig in Cherubini's Musik, aber sie stellen Werke mit einheitlichem musikalischem Gepräge hin. Was an der Räuberburg" neu war und auch jetzt noch seinen Reiz nicht ganz verloren hat, ist durch Anregung der Dichtung entstanden. Tatsächlich ist es auch Oehlenschläger gewesen, der das dramatische Talent Kuhlau's entdeckt, gelockt und eigens für ihn dieRäuberburg" verfaßt hat. Daß er unter einem starken Eindrücke von Schiller'sRäubern" gearbeitet haben muß, sieht ein Jeder. Aber der revolutionäre Grundzug des deutschen Werks ist bis auf die Spur getilgt, eine gegenwart- vergeffene Romantik hat sich an feine Stelle gesetzt: Rosen der Provence sollen duften, Troubadourweisen erklingen, grüne Wälder, aus denen finstere Felsen- fchlöfser aufragen, bilden die Scenerie. Kuhlau hat nach dem Maß seiner Be­gabung den Anforderungen des Dichters gerecht zu werden gesucht. Einiges, wie die Eingangsscenen: Aimar's Verirrtsein, Camillo's wehmüthige Hornmelodie aus Waldesdunkel, ihr Aufstieg zu der verhängnißvollen Burg im Abendroth, auch die Romanze der Ritterfräulein im Burggarten, strömt einen stärkeren Duft der Romantik aus, als ihn deutsche Opern bisher zu empfinden gaben. Aber diesen Duft verbreitet im Grunde nicht die Musik, sondern das Gedicht. Man denke sich einen Weber über dieser Dichtung, und was wir dann erlebt hätten! Wenn