Heft 
(1891) 67
Seite
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Briefe von Darwin.

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sassung im Ganzen und im Einzelnen zu ermitteln. Merkwürdiger Weise be­gegnete ich fast überall mit dieser entschiedenen und enthusiastischen Zustim­mung zum Darwinismus, ehe er überhaupt in Deutschland bekannt geworden war, hartnäckigem Widerspruch, oder, was noch schlimmer, einer unfreundlichen Gleichgültigkeit. Weder von meinen Altersgenossen noch von den Universitätslehrern, deren Vorlesungen ich besuchte, Bronn, Peters, Pagenstecher, Reichert, um nur einige wenige zu nennen, hat damals, zu Anfang der sechziger Jahre, auch nur einer mich auf dem betretenen Wege fortznschreiten ermuthigt. Im Gegen- theil, fast allgemein wurde zu jener Zeit Darwin's Lehre für vollständig verfehlt angesehen, während jetzt nicht ein einziger competenter Naturforscher gesunden werden kann, der die durch sie herbeigeführten Erweiterungen der Naturerkenntniß und methodologischen Fortschritte nicht anerkennte. Ich war gleich anfangs so fest von ihrer Richtigkeit, trotz mangelhafter eigener Erfahrung und unzureichen­der Vorbildung, überzeugt, daß ich mich durch nichts beirren ließ. Als ein erst Zwanzigjähriger unternahm ich es beispielsweise mit jugendlicher Kühnheit dar- zuthun, ein noch im Jahre 1844 lebend auf isländischen Klippen gesehener Vogel, der große nordische Pinguin oder Brillenalk (klautus oder ^leu imxsuuw) Werde überhaupt nicht mehr lebend angetroffen werden, weil er den Kampf um das Dasein nicht mehr bestehen könne. Meine Aufforderung in demJournal für Ornithologie", über alle Reste des Brillenalks (Bälge, Knochen, Eier u. s. w.) Ln Museen und Privatsammlungen Nachricht zu geben ich selbst zählte neun­zehn Exemplare auf ist vom Januar 1862 datirt, und die Abhandlung über diesen Vogel im Jahre 1861 geschrieben, bildet die erste in Deutschland veröffentlichte Arbeit, in welcher Darwin's Anschauungen aus einen besonderen Fall angewendet werden. Ich hatte dieselbe als Promotionsschrist in Heidelberg eingereicht und obwohl sie mir von Alexander Pagen st echer als durchaus nicht hervorragend bezeichnet wurde, womit ich vollkommen übereinstimme, so hat sie doch jetzt, abgesehen von der Richtigkeit der Vorhersagnng, einen kleinen historischen Werth als erste darwinistische Inauguraldissertation. Bronn, der erste Ueber- setzer von Darwin's Hauptwerk, der aber schon am 5. Juli 1862 starb, interessirte sich sür dieselbe, und erwähnte sie sogar in seinen Vorlesungen, was den an­gehenden Naturforscher zum ersten Male ermuthigte.

Diese längst verschollene Promotionsschrift sängt folgendermaßen an:

Wenn irgend eine Thierart, die zu ihrer Existenz nöthigen Bedingungen nicht gegeben findet, wenn sie durch ihre natürliche Anlage im Kampfe ums Dasein im Nachtheil ist, so geht diese Art unter und macht anderen besser organisirten Platz. So sehen wir Arten vergehen oder eigentlich unterliegen. Welches die unmittel­baren Ursachen des Unterganges der zahllosen, jetzt nicht mehr durch lebende Repräsen­tanten vertretenen Thiergeschlechter sind, ist in den allermeisten Fällen in das geheimniß- vollste Dunkel gehüllt. Nur Lei einigen, in historischer Zeit ausgestorbenen Arten, welche, seitdem sie bekannt, aus einen sehr kleinen Verbreitungsbezirk beschränkt waren, kann kein Zweifel obwalten darüber, daß der Mensch der Vernichter der Art ge­wesen sei.

Weiter heißt es:

Relativ mangelhafte Organisation und unablässige Verfolgungen des Menschen wegen des schmackhaften Fleisches und der trefflichen Dunen, das sind die Nachtheile,