Heft 
(1891) 67
Seite
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Briefe von Darwin.

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Island bietet mit seinen neunundzwanzig Vütcanen manche Belege hierfür. Im Jahre 1783 fand die großartigste Eruption statt, die des Skaptärjökull. Der directe Einfluß dieses Ausbruches auf Islands Thierwelt ist unverkennbar. Die Fischereien an der südlichen und südöstlichen Küste haben seit jener Zeit außerordentlich an Ertrag eingebüßt. Die Vogelberge, bei denen ein einziger secundenlanger Erdstoß genügt, Tausende von Bruten zu vernichten, litten ungeheuren Schaden. Seit der Eruption des Leirhnükur und der Krafla in den Jahren 17241727 sind die vor der Zeit durch ihre Güte und Menge in ganz Island bekannten Forellen des Mückenfees an Zahl so vermindert worden, daß an den meisten ehemaligen Fischorten das Fischen eingestellt ist. Diese Beispiele zeugen von dem Einfluß, den vulcanische Natur­erscheinungen aus die Fortdauer vieler Thiergeschlechter ausüben.

Nirgends deutlicher aber als bei Plautus haben wir zugleich gesehen, wie eine Thierart vor ihrem Aussterben seltener wird, nicht mit einem Male verschwindet. Sie wird allmälig von den von ihr bewohnten Orten durch überlegene Geschöpfe, vielleicht auch durch Wechsel des Klimas, Treibeis Vertrieben, bis sie zuletzt auf einen kleinen Bezirk beschränkt bleibt, wo sie vor Verfolgungen mehr oder weniger geschützt ist, die Bedingungen zu ihrer Existenz am günstigsten findet und ungestört selbst bei langsamer Vermehrung unberechenbar lange sich erhalten kann. Tritt aber gerade da eine solche Katastrophe ein, sei es eine Ueberschwemmung, sei es ein Erdbeben, sei es eine von wiederholten Erschütterungen begleitete submarine Eruption, so wird dann die Thierart allerdings plötzlich ihrem Untergange nahe gebracht, wenn nicht gänzlich vernichtet. So sind möglicherweise viele Geschöpfe untergegangen, von denen nur einzelne Ueberbleibsel zeugen und viele mehr, von denen wir nichts wissen. Man sagt zwar: die Natur macht keinen Sprung, aber es gehört zu ihrem Haushalt, daß sie mitunter aufräume, das Unvollkommenere vertilgend zu Gunsten des Vollkommeneren, und an Mitteln dazu fehlt es ihr nicht.

Aus diesen Sätzen vom Frühjahr 1862 erkennt man schon, mit welcher Bestimmtheit, allen gutgemeinten Rathschlägen, den Darwinismus fallen zu lassen, entgegen, ich an ihm sesthielt. Ich erinnere mich noch heute nach neunnndzwanzig Jahren sehr Wohl, wie schwer es mir gemacht wurde. Und doch war es recht. Keine Autorität kann eine wissenschaftliche Methode oder auch nur Hypothese, in der Wahrheit wohnt, wie ein Licht ganz auslöschen. Das Licht entzündet sich immer wieder aufs Neue, bis es schließlich gar nicht mehr aufhört zu leuchten.

Meine Studien nahmen indessen eine etwas andere Richtung. Ein starkes Verlangen nach exacterer Biologie, als die Zoologie sie damals bieten konnte, machte mich zu einem begeisterten Jünger der Physiologie. Hier tritt die außerordentliche Fruchtbarkeit der Darwinschen Methoden so sehr hervor, wie vielleicht auf keinem anderen Gebiete. Nicht allein bezüglich der Behandlung überlieferter physiologischer Probleme, sondern auch in betreff des Aufstellens neuer Fragen, namentlich über den Ursprung der Functionen, hat Darwin mehr anregend gewirkt, als er es selbst jemals erfahren hat. Ich erinnere mich lebhaft, wie ich schon 1865 in meinen Vorlesungen als Privatdocent in Bonn sogleich das Protoplasma als die differenzirungsfähige, variable, ebenso durch Vererbung wie durch Anpassung sich gestaltende physiologische Grundlage alles Lebens meinen Zuhörern darstellte und demonstrirte. Bald darauf erschien Haeckel'sGenerelle Morphologie der Organismen", und von da an mehrte sich die Zahl der Anhänger Darwin's in Deutschland in erfreulicher Weise. Ich kam durch eine ganze Reihe von Specialfragen und ein lebhaftes Interesse an