Heft 
(1891) 67
Seite
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Deutsche Rundschau.

Gewiß hat die Vorliebe, die der Kaiser der Dichtung bewiesen, der Eiser, mit dem er sich an ihrer scenischen Einrichtung und Anordnung betheiligt hat, von vornherein den Ersolg mitbestimmen Helsen; allein auch ohne diese kaiserliche Gunst würden ans einer Berliner Bühne die stark und kräftig betonten localpatriotischen Momente, der soldatische Schwung, die wie Trommelwirbel rollende Diction des Schauspiels ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Wie in denQnitzows" bildet in dem DramaDer neue Herr" die Stadt Berlin den Hintergrund, der Gegensatz zwischen dem Bürgerthum und dem Räuberthum, das 1415 als Ranbritterthum, 1640 als Söldnerthnm ans­tritt, zwischen dem Fürsten, der aus die Herstellung des Friedens sinnt und das Wohl Aller im Herzen trägt, und dem Junker, der nur an sich, an die Herrschaft des Adels denkt und sein höchstes Gut in der Ungebundenheit eines wüsten, freien und rohen Lebens findet, den Inhalt. Die Rolle, die in denQnitzows" der Burggraf Friedrich von Nürnberg spielt, übernimmt in demneuen Herrn" der junge Kursürst Friedrich Wilhelm, die Gestalt Dietriches von Quitzow hat sich in die eines jungen Obersten Moritz August von Rochow umgewandelt, die Kränkung und Mißhandlung eines schlichten wackeren Bürgers mischt in beiden Dramen in die politische Handlung ein allgemein menschliches Interesse. Noch stärker alsDie Qnitzows" mit ihrenBildern" fällt die neue Dichtung mit ihren sieben Vorgängen, von denen sich die einen zu langen Acten ausdehnen, die anderen nur die Kürze eines Austritts haben, aus dem Rahmen eines geschlossenen Kunstdrama^s. Was uns der Dichter im Wesentlichen bietet, ist eine Staatsaction in dialogischer Form, eine Reihe lebender historischer Bilder, eine lärmvolle Bewegung, ein Massenaufgebot von Hauptleuten und Soldaten, von Rathsherren und Bürgern. Unwillkürlich schwebt ihm und den Zuschauern SchillersWallenstein" vor. lieber die Schilderung des dreißigjährigen Krieges, die Schiller dort gegeben, kommt auch er nicht zu einer neuen Auffassung und Gestaltung der Zeit und ihrer Erscheinungen. Die Schwierigkeiten, mit denen der zwanzigjährige Kurprinz Friedrich Wilhelm bei seiner Thronbesteigung zu kämpfen hatte, bilden die historische Unterlage des Stückes. Daß der Widerstand der Hauptleute, die sich mehr zu den kaiserlichen Fahnen als zu den Schweden hingezogen fühlten; die dunkeln Machenschaften des Grafen Adam Schwarzenberg, der unter dem schwachen Georg Wilhelm fast mit unumschränkter Vollmacht in der Mark Brandenburg gewirthschastet hatte, in einer gewissen Uebertreibung ihrer Bedeutung geschildert werden, verlangte der dramatische, sich tragisch zuspitzende Conflict. Die Geistesgröße und die Thatkrast, die überraschende Klugheit, Mäßigung und Entschlossenheit, die derneue Herr" in der Wiederherstellung seiner Macht, gleichsam in der Rückgewinnung seiner Rechte und seiner Truppen bewies, sind von dem Dichter kaum in helleren Farben gemalt worden, als sie uns die Geschichte überliefert hat.

Der Vorwurf des Unhistorischen und der byzantinischen Schmeichelei, die Wilden­bruch nicht erspart geblieben sind, kann dem Schauspiel mit Recht nicht gemacht werden; seine Mängel liegen in der Schwäche und Formlosigkeit der Komposition und der geringen Vertiefung der Charaktere. Das Vorspiel führt uns nach dem niederländischen Schlosse Rhena; zwei junge Mädchen, eine Prinzessin Hollandine und ein Fräulein Claudine von Rochow, der Kurprinz, der Oberst Moritz August von Rochow und sein Page, der ein verkleidetes Mädchen ist, unterhalten sich in lustigen, freien und übermüthigen Reden; die kecke und freche Soldatennatur RochovLs gibt sich in voller Offenheit, der Thatendrang des Prinzen deutet sich lebendig an; schließlich gehen alle auseinander, die Prinzeß nach dem Haag, der Prinz in die Schanzgräben, die Ge­schwister Rochow nach Berlin; das Ganze ist ein Auftact, der leider mit der folgenden Musik in keiner rechten Harmonie steht. Die sechs übrigen Vorgänge spielen in Berlin. Gras Adam Schwarzenberg nimmt im Verein mit dem kaiserlichen Feldherrn Gallas die brandenburgischen Hauptleute in Eid und Pflicht für den Kaiser Ferdinand: unr­einer widerspricht, der alte Burgsdors, der sich bei der Unterschrift des Reverses seine Pflicht gegen Brandenburg vorbehült. Die Erinnerung an den vierten Act der Piccolomini" ist unabweislich. Eine schwere Kontribution wird der Stadt Berlin