Heft 
(1891) 67
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Die Berliner Theater.

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auferlegt, ihre Vorstädte sollen in den nächsten Tagen niedergebrannt werden, um den Schweden die Annäherung zu erschweren. In einem dieser dem Verderben geweihten Häuser begibt sich der nächste Vorgang. Dem Gastwirth Jakob Blechschmidt ist der Geselle davongelaufen und unter die Soldaten gegangen, die Tochter hat sich von Rochow entführen lasfen, das Herz des alten Mannes ist voll Zorn und Galle über die Unbill und das Unglück, die ihm widerfahren sind, und als er jetzt hört, daß fein Haus zerstört werden solle, und zugleich der ehemalige Gehülfe frech im Soldatenrock mit andern Cumpaneu bei ihm eindringt und ihm ins Angesicht trotzt, ersticht er ihn. Von dem Tode durch den Profossen, zu dem ihn der Kommandant der Stadt ver- urtheilt, rettet ihn der Kurprinz: gerade an diesem Abende ist er vom Haag kommend in Berlin eingetroffen auf der Reife nach Königsberg in Preußen zu seinem schwer erkrankten Vater. Während er sich in dem Hause des Grafen Schwarzenberg an dem Schattenspiel der Laterna magica ergötzt, trifft ein Bote aus Königsberg ein: sein Vater ist gestorben, er ist jetzt der Herr. Das Todesurtheil des Wirthes zu unter­schreiben weigert er sich, mit wachsendem Erstaunen vernimmt er, daß seine Regimenter dem Kaiser Treue geschworen haben, daß sie einen Angriff auf die Schweden vor- Lereiten und die Vorstädte von Berlin verbrennen wollen. Aber machtvoll weiß er sich zu sammeln und an sich zu halten. In einer gewaltigen Rede, ganz in dem Wildenbruchffchen Pomp und Klang, zerknirscht er den Grafen, den ungetreuen Ver­walter; sein Auftreten zwingt die Mehrzahl der Hauptleute zur Unterwerfung und zum Gehorsam; nur der wüste Rochow und zwei andere sinnen weiter Verrath und Empörung. In einer abenteuerlichen Verschwörung beschließen sie, auf eigene Faust die Schweden anzugreifen und so den Kurfürsten gegen seinen Willen mit sich sort- znreißen; sie bemächtigen sich des ganz gebrochenen Schwarzenberg, um ihn nach Spandau in den Thurm zu schleppen, allein er stirbt vom Schlage getroffen unter ihren Händen. Ihr Plan mißlingt, die dem Kurfürst ergebenen Truppen behalten die Oberhand, und Rochow, der die Hand des Fürsten zur Versöhnung schnöde znrück- weist und den Degen gegen ihn zückt, wird erschossen. Mit einer Verherrlichung des neuen Herrn", dem Soldaten und Bürger, Männer und Weiber, Alt und Jung zujubeln, schließt das Stück. Trotz des engbefchlosfenen Raums und der Kürze der Zeit, in der sich das Ganze, wenn man von dem ersten Vorgänge absieht, in Berlin und innerhalb zweier Tage abspielt, herrscht doch statt der festgefügten Handlung das Bildartige, die breit ausgesponnene Episode vor. Die Frauen treten zurück, die Leiden­schaft und die Schuld der Liebe haben in der Staatsaction keine Rolle. Schon da­durch fehlt der Dichtung der stärkste Reiz; aber es kommt hinzu, daß uns die Staats­action nicht entfernt die Theilnahme einzuflößen vermag, wie der Fall Macbeths, die Hinrichtung der Maria Stuart, der Untergang Wallenstein's. Niemand fürchtet, daß der junge Fürst im Kampfe gegen die Zügellosigkeit des Soldatenthums den Kürzeren ziehen könnte, Niemand erwärmt sich für die wüsten Reden und die Rodo- montgebärden Rochow's. Der Streit zwischen Beiden ist von vornherein zu ungleich, seinem inneren Gehalt wie seinen äußeren Mitteln nach, als daß er uns tiefer bewegte; alles Licht ist auf Seiten des Fürsten, alles Dunkel auf Seiten Rochovlls. Und wäre die Finsterniß noch gigantisch, die Bosheit teuflisch, allein Wildenbruch hat sich um die volle Wirkung gebracht, indem er die Feindschaft und den Gegensatz wider den neuen Herrn auf zwei Figuren vertheilte, auf Schwarzenberg, der als Kopf, und auf Rochow, der als Arm erscheint. So bleiben Beide im Halben stecken; Schwarzen­bergs Geist erliegt vor der Majestät und den Königsgedanken, die Friedrich Wilhelnlls Stirn umschweben, und wenn Rochow die Hand erheben will,versagt sie ihm die Pflicht". Anfänglich tritt er auf, den Federhut schüttelnd, mit dem Degen klirrend, wie dieblonde Bestie" des jetzt plötzlich zu hohen Ehren in der literarischen Meinung emporgestiegenen junkerlichen Philosophen Friedrich Nietzsche und läßt uns glauben, er würde erhaben über Gut und Böse ungeheuerliche Thaten vollführen; zuletzt fällt er ohne Sang und Klang. Nicht einmal der Freund bemitleidet ihn. An künstlerischem Werthe kann sich das Schauspiel nicht mit denQuitzows" vergleichen; die Berliner

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