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Deutsche Rundschau.

Sollen die Ausschreitungen, die aus Anlaß der socialdemokratischen Maifeier insbesondere in den romanischen Staaten verübt worden sind, nach dem Grade ihrer solgenschweren Bedeutung gruppirt werden, so muß an erster Stelle ans Italien, dann aus Frankreich, endlich aus Belgien hingewiesen werden. Hatte im Vorjahre Crispi, der damals an der Spitze der italienischen Regierung stand, von Ansang an alle öffentlichen socialistischen Kundgebungen verbieten lassen, so erwies sich das neue Ministerium Rudini-Nicotera minder ablehnend. Allerdings erließ der Minister des Inneren, Nicotera, strengen Befehl, den Ausschreitungen der Socialdemokraten mit aller Schärfe entgegenzutreten; allein der Umstand, daß eine große Volksversammlung vor Santa Croce in Gerusalemme unmittelbar beim Lateran gestattet war, sollte sich als verhängnißvoll erweisen. Die Anarchisten erschienen aus dem Plane, von denen einer dann auch das Signal zum blutigen Zusammenstöße mit der bewaffneten Macht gab. Cipriani, der berüchtigte Volksversührer, der seine Legitimation als Demagoge der niedersten Gattung daraus herleitet, daß er einst wegen Mordes auf der Galeere war, hatte bereits in einem eigens für den Tag zusammengestellten revolutionären Blatte: „II xrimo maggio", den Austact gegeben, indem er gegen die Bourgoisie wüthete: „Das Capital," schrieb er, „geboren aus Gewalt, lebend und ausrecht erhalten durch Gewalt, kann nur durch Gewalt gestürzt werden, ihr allein wird es nach langem und blutigem Kampfe weichen. Es fürchtet die unschuldige Demonstration des 1. Mai; denn in seinen Eingeweiden hört es schon das Murren jener Revolution, die, indem sie es zerstört, die Producenten befreit." Ließ diese Sprache bereits keinen Zweifel über den „unschuldigen" Charakter der Kundgebung bestehen, so deutete der galsoUo Cipriani zugleich an, in welcher Richtung sich seine Erwartungen bewegten, indem er, aus die Eventualität hinweisend, daß ein blutiger Zusammenstoß mit der bewaffneten Macht erfolgen könnte, sich in halb ausgesprochenen Drohungen erging: „Aber wenn diese Eure Brüder vom Heere, der Bande vergessend, die sie an Euch fesseln, zu feuern wagten ..." Der zur römischen Maifeier aus Frankreich eingetroffene Anarchist Landi, der später, als das Unheil geschehen, spurlos verschwunden war, jedoch nach zinigen Tagen aufgegriffen wurde, schürte die bereits erregten Volksleidenschaften bis zum Aeußersten. Jeden Augenblick bezeichnte er als den richtigen, die eigene Kraft zu messen, ohne daß es dazu einer besonderen Organisation bedürfte. „Wohlan denn, messen wir unsere Kraft heute, morgen, wenn Ihr wollt!" Die Berichte, welche in den römischen Blättern über diese wüsten Vorgänge vorliegen, gemahnen unwillkürlich an die römischen Volksscenen, wie sie Shakespeare im „Julius Cäsar" mit Meisterhand geschildert hat. „Heute, heute noch!" schrie die erbitterte Menge, als der Anarchist Landi an ihre wilden Leidenschaften appellirt hatte. „Sei's denn!" rief der Anarchist und stieg zum Volke herab, nicht um an dessen Spitze seine Brust den Bajonetten oder den Kugeln der bewaffneten Macht darzubieten, sondern um zu verschwinden. In dem Gewühle und Handgemenge erfolgten dann zahlreiche Verwundungen, von denen die­jenigen Ciprianlls und des irredentistischen Abgeordneten Barzilai jedenfalls am meisten verdient waren. Gilt doch insbesondere in Bezug auf den Letzteren der Ausspruch Moliäre's: „Hua äiabla aUail-U kaira ckang estta Zalare?" Ein Polizeibeamter, der lediglich seine Pflicht erfüllte, wurde durch einen Dolchstich getödtet, so daß Barzilai, nachdem er sich muthwillig in die Gefahr begeben hatte, keine Ursache hatte, über sein verhältnißmäßig geringes Mißgeschick in der Presse und in der Deputirtenkammer ein lautes Lamento anzustimmen. Wenn aber dieser Widersacher der Tripelallianz seine Unverletzlichkeit als Abgeordneter anrief, so wurde ihm mit Fug entgegnet, daß die Deputirten in die Kammer, nicht aber in anarchistische Volksversammlungen gehören.

Es muß auf diese Vorgänge hingewiesen werden, weil sie auch für die gegen­wärtige Regierung eine heilsame Lehre darstellen , in Zukunft von Anfang an dem anarchistischen Treiben keinen Vorschub zu leisten. Diesmal konnte das Ministerium Rudini-Nicotera sich noch darauf berufen, daß es im Sinne der Freiheit zu handeln glaubte, als es das Maimeeting unter freiem Himmel gestattete; von jetzt an wird dieses Schlagwort aber nicht mehr gelten können. Für die Verhältnisse der inneren