Literarische Rundschau.
Grillparzer s Gedichte.
Gedichte von Franz Grillparzer. Jubiläums-Ausgabe zum hundertsten Geburtstage des Dichters (1791. 1891). Mit dem Bildnisse des Dichters. Stuttgart, I. G. Cotta'sche Buchhandlung, Nachfolger. 1891.
Wir erhalten hier die Gedichte Grillparzers in einer monumentalen Ausgabe, durch welche der Herausgeber, Herr Professor August Sauer in Prag, und die Verlagshandlung sich den Dank weiter Kreise gesichert haben. Der gewichtige Band, der Gelegenheit angemessen höchst würdig ausgestattet und mit einem seinen Porträt des Dichters (nach dem Gemälde Desfingers gestochen von Pros. Jacoby) tritt in eine Lücke, welche jeder Literatursreund längst gefühlt hat. Es gab bisher keine Ausgabe, die sich aus einen authentischen Text gestützt hätte. Man war von der Voraussetzung ausgegangen, daß Grillparzer niemals eine Sammlung seiner Gedichte geplant oder vorbereitet habe. Die erste Ausgabe, durch den trefflichen Jos. Weilen, der noch des Dichters persönliches Vertrauen besaß, nicht lange nach dessen Tode besorgt (1872), leistete, was unter den Umständen und beim Mangel einer kritischen Vorarbeit möglich war. Der dritten und vierten Ausgabe konnte schon eine Handschrift zu Grunde gelegt werden, welche, wenn sie nicht von Grillparzer direct herrührte, doch zu seiner Zeit und in seinem Freundeskreise entstanden war: aber auch sie, der in Emendations- versuchen und biographischen Angaben ein Verwandter des Dichters, der Freiherr von Rizy Jahre liebevoller Arbeit gewidmet hatte (1877), reichte nicht hin, den Text kritisch sestzustellen, wie sie weit entfernt war von Vollständigkeit und einer correcten Gruppirung des Einzelnen. Jetzt erfahren wir, daß Grillparzer selbst eine Sammlung seiner Gedichte wirklich veranstaltet hat: sie hat sich, die Jahre von 1817 bis 1840 umschließend, von fremder Hand zwar geschrieben, jedoch von seiner eignen verbessert, für eine in den vierziger Jahren projectirte Gesammtausgabe, die nicht zu Stande kam, in seinem Nachlaß gefunden: und sie ist es, welche nunmehr thatsächlich die erste Abtheilung der gegenwärtigen Ausgabe bildet. In der zweiten, für welche der Herausgeber, wie er sich ausdrückt, allein verantwortlich ist, werden uns diejenigen Gedichte, die zwar aus der Zeit von 1817—1840 stammen, aber in des Dichters Auswahl fehlen, sodann die Masse der seit 1840 entstandenen in einer Anordnung vorgelegt, die sich in ihren Grundzügen der der ersten Abtheilung anschließt. Dies vornehmlich ist das Verdienst des Herrn Prof. Sauer; denn nicht minder hoch als die Arbeit des Philologen, die den Text vervollständigt und von jeder Willkürlichkeit gereinigt hat, schlagen wir es an, daß wir hier, in seiner Sammlung, Grillparzer haben wie er war, einheitlich und ganz, soweit er sich augenblicklich geben ließ. Es existieren Epigramme von ihm, die vielleicht niemals veröffentlicht werden können. Aber gerade bei diesem Theile der Sammlung, der nach Gehalt und Umfang einer