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Deutsche Rundschau.
sich Manches zu häufig, so kann das doch den Dank für die Fülle der gespendeten Belehrung nicht beeinträchtigen.
Hume's Charakter erscheint uns in diesen Briefen, wie er sonst im Leben sich gab. Nicht srei von Schwächen: etwas selbstgefällig und ruhmgierig, leicht reizbar und dann ungerecht, aber doch wieder voll Gutmüthigkeit, liebenswürdig, rücksichtsvoll und menschenfreundlich. Seine politischen Ansichten sind die des eingefleischten Tory, immerhin sehr geklärt durch seine natürliche Klugheit und historische Bildung. Einsichtsvoll schreibt er z. B. über den Conflict Englands mit den amerikanischen Colonien, und ganz merkwürdig bestimmt sagt er den Ausgang des Kampfes vorher S. 288 s., 308. Und wie hat dieser Mann, der als Epikuräer verspottet wurde, arbeiten können! Niemand wird ohne Rührung das vergilbte Blatt betrachten, welches S. 342 die letzten Zeilen Hume's an Strahan facsimilirt wiedergibt: Hume verzeichnet Correcturen zu einzelnen seiner philosophischen Schriften und theilt dann mit, vr. Black habe ihm versprochen, daß bald Alles mit ihm vorbei sein werde; das sei gute Nachricht, denn während der letzten Zeit hätte sich sein Zustand so verschlimmert, daß ihm das Leben zur Last werde, „^äieu, tüsn, m^ Zooä anä olä krienä" schließt der Brief. In der That werden nicht viele Menschen ihrer Auflösung mit solcher Ruhe entgegengeblickt haben wie dieser große „Ungläubige".
Das vortreffliche Werk darf allen ernsten Lesern, denen das Staatsleben und Schristthum Englands im achtzehnten Jahrhundert Interesse einflößt, auf das Lebhafteste empfohlen werden.
2. U88g,^8 tüo lato Narü kattUon. (üoHeetoä aml arraoZkä Ueoi';- Xettlo- süix. Rvo Vol8. Oxlorä, Olarooäon ?r688. 1889.
Ein großer Vorzug, dessen die Naturwissenschaften heute genießen, ist, daß sie in genauem Wechselverkehr der Forscher verschiedener Nationen bearbeitet werden: die Untersuchung eines Problems, welche etwa ein Deutscher begonnen hat, wird von einem Engländer fortgesetzt, daran knüpft ein Franzose an, ein Russe erwidert darauf, u. s. w. In dieser Art fördern sich die Völker, und Alles kommt der gemeinsamen Sache zu gute. Die Voraussetzung, welche dieses Zusammenarbeiten ermöglicht, wird durch die Methoden der Bearbeitung und Forschung gebildet, die überall dieselben sind und nationale Eigenthümlichkeiten fast ganz ausschließen. Nicht so liegen die Dinge bei Philologie und Geschichte. Da bildet nicht bloß die Verschiedenheit der Sprachen ein Hinderniß. das hier wie dort leicht überwunden werden könnte. Wichtiger sind die Differenzen in der Methode, der ganzen Betrachtungsweise, der Erfassung von Aufgaben und Zielen, der Vorbildung, ja in dem gesammten wissenschaftlichen Apparat. Noch mehr erweitert sich die Kluft durch eine gewisse Abneigung — welche um so stärker wird, je enger der Gesichtskreis der Betheiligten ist — die Verdienste und Leistungen der fremden Mitforscher gebührend anzuerkennen. Ist es mir doch erst unlängst begegnet, als ich in einer Schrift die Bedeutung englischer und amerikanischer Denker für das Geistesleben der Gegenwart hervorhob, daß ich von einem Freunde dahin belehrt wurde: „Die Deutschen, das Volk Wilhelm's von Humboldt, hätten es nicht nöthig, ihre Köpfe anglo - amerikanisch frisiren zu lassen." Ich halte solches Urtheil für die Eingebung unbegründeten und schädlichen Hochmuthes. Man hat All s dankbar anzunehmen, was uns in Wissenschaft und Bildung fördert, woher es auch komme; jede Engherzigkeit ist vom Nebel und rächt sich in der Folge durch Erstarrung und Zurückbleiben: mir scheint es wirklich keine Auszeichnung für uns, daß es deutsche Philosophen und Sprachforscher gibt, welche meinen, ihre wissenschaftliche Existenz mit anderthalb Gedanken aus dem unerschöpflichen Schatze Wilhelm's von Humboldt bestreiten zu können. Heute steht die Philologie in England niedrig genug, aber die großen englischen Forscher, welche sich um die Reinigung altclassischer Texte bleibende Verdienste erworben haben, die Bentley, Porson, Dobree, Markland, Emsley u. A. sind hoffentlich unserem Gedächtnisse noch nicht entschwunden, und es muß die Freude