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Deutsche Rundschau.
Antike Städtebilder im Süden Kleinasiens.
Städte Pamphyliens und Pisidiens. Unter Mitwirkung von G. Niemann und E. Petersen herausgegeben von Karl Grafen Lanckoronski. Erster Band: Pamphylien, Mit 2 Karten und 2 Plänen, 31 Kupfertafeln und 114 Abbildungen im Text. Wien. Prag, Leipzig, F. Tempsky. 1890.
Wir haben mehrfach Anlaß gehabt, die Leser der „Deutschen Rundschau" auf die merkwürdigen Reste antiker Besiedelung hinzuweisen, welche in der südwestlichen Berglandschaft Kleinasiens, im alten Lykien, sich erhalten haben (Bd. XXXVI S. 51, Bd. XUIII S. 317, Bd. UXIII S. 468). Die östlich unmittelbar daran stoßenden Gebiete, das Küstenland Pamphylien und das Bergland Pisidien zeigen ein anderes, beinahe noch wunderbareres Gepräge: aus einem Raume, welcher ungefähr der halben Provinz Westphalen gleich kommt, liegt da etwa ein Dutzend ansehnlicher, zum Theil bedeutender antiker Städte von einer Erhaltung ohne Gleichen. Nicht Menschenhände, sondern die Zeit hat sie geschädigt, vor Allem jene gewaltigen Erdbeben, welche das Alterthum in Trümmer schlagen halsen vor dem Anbruch und gleichsam für den Neubau einer neuen Zeit. Dann hat die zunehmende Ungesundheit den heißen und theilweise versumpften Küstenstrich verödet: so erklären wir uns die Thatsache, daß hier fast nirgends der antike Name an den Städteruinen hasten blieb; aber in der Höhe darüber, im bergigen, gesünderen, sicherem Pisidien richtete, wie es scheint, eine stark zusammengeschmolzene Bevölkerung sich wohnlich in den Trümmern ein: retteten sich doch über alle Wechselsälle und Aenderungen von Herrschaft, Glauben und Sprache die alten Namen in modernem Gewände hinüber bis in unsere Zeit. Aus solche Zeichen sind wir angewiesen, da jede andere Ueberlieserung für etwa anderthalb Jahrtausende unterbrochen ist. Dann aber, seit kaum zwei Menschenaltern, stiegen vor den ersten europäischen Besuchern jene verschollenen Städte, deren Namen erst noch wiederzusuchen waren, empor wie Erscheinungen aus einer versunkenen Welt. Der treffliche August Schönborn ist auch hier vor fünfzig und vierzig Jahren als einer der ersten wissenschaftlichen Reisenden umhergewandert, fast zu gleicher Zeit der englische Rev. Daniell, der aber alsbald den Anstrengungen jenes Landes und jener Zeit erlag. Gereizt durch die beinahe märchenhaften Berichte hat dann der Schreiber dieser Zeilen mit dem Baumeister Hermann Eggert in den Frühlingswochen des Jahres 1874 jene Landschaften durchzogen und kurz über sie berichtet. In der That erschien die Mächtigkeit der Trümmer, die Güte des Materials, die Meisterschaft in der Bewältigung und dem Ausbau großer Massen erstaunlich und wunderbar, zumal gemessen am heutigen Bilde des Landes, wo eine ganz geringe, vielfach nur nomadisirende Bevölkerung in Zelten oder elenden Hütten ein armseliges Dasein mit Viehzucht und nothdürstigem Ackerbau hinsristet. Von einer ausführlicheren Darstellung hat mich dann zuerst die Leitung der olympischen Ausgrabungen abgehalten, später der Eintritt in eine ungewohnte akademische Thätigkeit. Inzwischen richtete sich die allgemeine Aufmerksamkeit immer mehr aus Kleinasien, und damit wuchs die Aussicht, wie auch der Anspruch aus eine umfassendere Lösung der Ausgabe, als der schnelle Durchzug von ein paar Reisenden sie zu bieten vermag. Und in der That hatte schon im Jahre 1882 der für Kunst und Alterthum begeisterte Gras Karl Lanckoronski Pamphylien kennen gelernt — auch dies im Anschlüsse an die so folgenreichen österreichischen Unternehmungen — und sofort den Plan einer gründlichen Durchforschung der Ruinenstätten gefaßt. Hochherzig und einsichtig zugleich hat er alsdann die Herren Eugen Petersen und George Niemann als Archäologen und Architekten gewonnen, ist mit diesen und einem ganzen Stabe von Gelehrten, Künstlern, Topographen in den Jahren 1884 und 1885 ausgezogen, und die Gesellschaft hat insgesammt etwa sechs Monate hindurch in Pamphylien und Pisidien untersucht, gemessen und ausgenommen, gezeichnet