Literarische Rundschau.
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und Photographirt. Eine dritte Expedition mußte leider unterbleiben; aber auch so sind säst ein Dutzend Städte mehr oder weniger gründlich durchforscht, und die fünf pamphylischen Adalia, Perge, Sillyon, Aspen dos, Side behandelt der eben ans Licht getretene erste Band.
Einleitend gibt Gras Lanckoronski nach einer kurzen Geschichte des Unternehmens eine warm geschriebene Schilderung des Landes. Dann läßt er ausschließlich Petersen und Niemann das Wort; dieser hat die Einzelbauten beschrieben, und zudem die Vorlagen für einen großen Theil der Tafeln und eingestreuten Ansichten hergestellt, hervorragende, oft meisterhafte Arbeiten, die nicht bloß das Auge des Alterthumsforschers zu erfreuen vermögen und den Kenner des Landes häufig in Staunen versetzen durch die treffende Charakteristik der Natur und der Kunstwerke. So fügen sich diese Bilder als ein ungewöhnlich wichtiges Element in die Darstellung des Archäologen, um so vielsagender als dieser sich bestrebt hat, Natur, Denkmäler und Geschichte jeder Art zu einheitlichen Bildern zusammenzufügen. In Wahrheit ist eine solche Fassung der Aufgabe die höchste und schönste, welche sich denken läßt; wir verkennen dabei nicht, daß die Verhältnisse in Pamphylien und Pisidien ungewöhnlich günstig liegen, viel günstiger als der flüchtige Reisende erkennen kann, der nur den Zustand einer Zeitepoche, der späteren römischen Kaiserzeit, zu sehen glaubt. In Wirklichkeit liegen dort fast überall gleichsam mehrere Epochen in den Denkmälern in deutlicher, scharf gezeichneter Schichtung über einander, und die Ruinenstätten gewähren damit den unendlich anziehenden Reiz, der mit jedem Einblick in das Werden der Dinge verbunden ist. Und eben dieser Einblick ermöglicht die fruchtbarste, die genetische Behandlung.
Zwölshundert Quadratkilometer etwa umfaßt das Rechteck, welches sich um die pamphylischen Städte beschreiben läßt, das ist wenig mehr als die Provinz Hohen- zollern oder das Fürstenthum Waldeck: und auf diesem Raume lagen fünf blühende Städte; in den großartigen Theatern von dreien derselben fanden 7—8000, 11000, 13 000 Menschen Raum, fürwahr ein sprechendes Zeugniß für Volksmenge und allgemeinen Lebenszuschnitt in diesem so abgelegenen Gebiete, auch wenn wir annehmen, daß dort eine besondere Vorliebe für die Schaubühne geherrscht habe.
Zwei der Städte, Adalia und Side, liegen am Meere; nur Adalia ist lebendig geblieben, ein bescheidener Hafen im geschütztesten Winkel des Landes; die anderen drei längst verlassenen Städte thronten zuerst auf bequemen, ebenen und geräumigen Hügeln, losgetrennten Stücken der Terrassen, in welchen das Land vom Meere aus aufsteigt. Trägt die Wahl solchen Platzes den unverkennbaren Stempel der ältesten, der Gründungszeit, und ist der kleinste Ort, Sillyon, in seinem ganzen Charakter wenig darüber hinausgekommen — daher von altertümlich eigenartigem Reize — so sind die anderen Leiden, Perge und Aspendos, dem Zuge einer späteren, milderen Zeit gefolgt; sie sind auch in die Ebenen hinabgestiegen, und ihre Anordnung wie diejenige von Side spricht beredt von der Zeit, in welcher die Seleukiden, die Könige Syriens, auch diese Theile beherrschten. Beinahe nirgends liegt das Gesammtbild antiker Städte so übersichtlich vor Augen wie hier. Die Stadtanlage der Alten in ihrer allmäligen Entwicklung zu verfolgen, ist überhaupt so reizvoll und lehrreich, daß man sich nur Wundern kann über die geringe Beachtung, welche diese Seite des antiken Lebens bisher gefunden hat. Zeitlich und örtlich verschieden geartet, kann die Stadtanlage zu einem geschichtlichen und nationalen Unterscheidungsmerkmal ersten Ranges werden. Vielleicht ist es mir später einmal vergönnt, die Leser dieser Zeitschrift in die Wirklichkeit antiker Städte einzuführen. Hier sei nur gesagt, daß die Griechen erst in der Zeit des Perikles sortschritten von ungeordnetem Aufbau ihrer Städte zu kun st mäßigen Anlagen aus einem Gusse; eine analoge Forderung ist dann erst wieder in der Epoche der Renaissance gestellt worden. Den Griechen kam die neue Art von Osten zu: aufgekommen muß sie sein, wo ganze Städte auf einen Schlag anzülegen waren; wir möchten an das Mittelstromland denken, an Babylon und Asfur, wo jeder Herrscher mit seinem Palaste seine ganze Hauptstadt verlegt zu haben scheint. Babylon wenigstens