Heft 
(1894) 82
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Deutsche Rundschau.

Helle Bewunderung. Der Damast, die Weiukühler, das reiche Silbergeschirr, Alles wirkte herrschaftlich, weit über obersörsterliche Durchschnittsverhältnisse hinaus, was darin seinen Grund hatte, daß Ring's Frau, so scheu und ver­legen sie war, aus einem reichen Danziger Kornhändlerhause stammte. Von da her rührten auch die meisten der rings umher hängenden Bilder: der Korn­händler und seine Frau, der Marienburger Remter und eine gute Copie nach dem berühmten Memling'schen Altarbilde in der Danziger Marienkirche. Kloster Oliva war zweimal da, einmal in Oel und einmal in Kork geschnitzt. Außerdem befand sich über dem Büffet ein sehr nachgedunkeltes Porträt des alten Nettelbeck, das noch aus dem bescheidenen Mobiliar des erst vor andert­halb Jahren verstorbenen Ring'schen Amtsvorgängers herrührte. Niemand hatte damals, bei der wie gewöhnlich stattfindenden Auktion, das Bild des Alten haben wollen, bis Jnnstetten, der sich über diese Mißachtung ärgerte, daraus geboten hatte. Da hatte sich denn auch Ring patriotisch besonnen, und der alte Colbergvertheidiger war der Oberförsterei verblieben.

Das Nettelbeck-Bild ließ ziemlich viel zu wünschen übrig; sonst aber ver- rieth Alles, wie schon angedeutet, eine beinahe an Glanz streifende Wohlhaben­heit, und dem entsprach denn auch das Mahl, das aufgetragen wurde. Jeder hatte mehr oder weniger seine Freude daran, mit Ausnahme Sidoniens. Diese saß zwischen Jnnstetten und Lindequist und sagte, als sie Cora's an­sichtig wurde:Da ist ja wieder dies unausstehliche Balg, diese Cora. Sehen Sie nur, Jnnstetten, Wie sie die kleinen Weingläser präsentirt, ein wahres Kunststück, sie könnte jeden Augenblick Kellnerin werden. Ganz unerträglich. Und dazu die Blicke von ihrem Freunde Crampas! Das ist so die rechte Saat! Ich frage Sie, was soll dabei herauskommen?"

Jnnstetten, der ihr eigentlich zustimmte, fand trotzdem den Ton, in dem das alles gesagt wurde, so verletzend herbe, daß er spöttisch bemerkte:Ja, meine Gnädigste, was dabei herauskommen soll? Ich weiß es auch nicht" woraus sich Sidonie von ihm ab- und ihrem Nachbar zur Linken zuwandte: Sagen Sie, Pastor, ist diese vierzehnjährige Kokette schon im Unterricht bei Ihnen?"

Ja, mein gnädigstes Fräulein."

Dann müssen Sie mir die Bemerkung verzeihen, daß Sie sie nicht in die richtige Schule genommen haben. Ich weiß Wohl, es hält das heutzutage sehr schwer, aber ich weiß auch, daß die, denen die Fürsorge für junge Seelen obliegt, es vielfach an dem rechten Ernste fehlen lassen. Es bleibt dabei, die Hauptschuld tragen die Eltern und Erzieher."

Lindequist, denselben Ton anschlagend wie Jnnstetten, antwortete, daß das alles sehr richtig, der Geist der Zeit aber zu mächtig sei.

Geist der Zeit!" sagte Sidonie.Kommen Sie mir nicht damit. Das kann ich nicht hören, das ist der Ausdruck höchster Schwäche, Vankrutterklärung. Ich kenne das; nie scharf zusassen wollen, immer dem Unbequemen aus dem Wege gehen. Denn Pflicht ist unbequem. Und so wird nur allzu leicht vergessen, daß das uns anvertraute Gut auch 'mal von uns znrückgefordert wird. Eingreifen, lieber Pastor, Zucht. Das Fleisch ist schwach, gewiß; aber . . ."