Effi Brich.
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„Das ist recht, Freund, das gefällt mir; mehr brauch' ich nicht zu wissen." Und als sie das so sagte, waren sie bis an die Schaukel gekommen. Sie sprang hinauf, mit einer Behendigkeit wie in ihren jüngsten Mädchentagen, und ehe sich noch der Alte, der ihr zusah, von seinem halben Schreck erholen konnte, huckte sie schon zwischen den zwei Stricken nieder und setzte das Schaukelbrett durch ein geschicktes Auf- und Niederschnellen ihres Körpers in Bewegung. Ein paar Secunden noch, und sie flog durch die Luft, und bloß mit einer Hand sich haltend, riß sie mit der anderen ein kleines Seidentuch von Brust und Hals und schwenkte es wie in Glück und Uebermuth. Dann ließ sie die Schaukel wieder langsam gehen und sprang herab und nahm wieder Niemeyer's Arm.
„Esst, Du bist doch noch immer wie Du früher warst."
„Nein. Ich wollte, es wäre so. Aber es liegt ganz zurück, und ich Hab' es nur noch einmal versuchen wollen. Ach, wie schön es war, und wie mir die Luft wohlthat; mir war, als slög' ich in den Himmel. Ob ich Wohl hineinkomme? Sagen Sie mir's, Freund, Sie müssen es wissen. Bitte, bitte . . ."
Niemeyer nahm ihren Kopf in seine zwei alten Hände und gab ihr einen Kuß aus die Stirn und sagte: „Ja, Esst, Du wirst."
Fünfunddreißigstes Capitel.
Effi war den ganzen Tag draußen im Park, weil sie das Lustbedürfniß hatte; der alte Friesacker I)r. Wiesike war auch einverstanden damit, gab ihr aber in diesem Stücke doch zu viel Freiheit, zu thun, was sie wolle, so daß sie sich während der kalten Tage im Mai heftig erkältete: sie wurde fiebrig, hustete viel, und der Doctor, der sonst jeden dritten Tag herüber kam, kam jetzt täglich und war in Verlegenheit, wie er der Sache beikommen solle, denn die Schlaf- und Hustenmittel, nach denen Esst verlangte, konnten ihr des Fiebers halber nicht gegeben werden.
„Doctor," sagte der alte Briest, „was wird aus der Geschichte? Sie kennen sie ja von klein auf, haben sie geholt. Mir gefällt das Alles nicht; sie nimmt sichtlich ab, und die rothen Flecke und der Glanz in den Augen, wenn sie mich mit einem Male so fragend ansieht. Was meinen Sie? Was wird? Muß sie sterben?"
Wiesike wiegte den Kops langsam hin und her. „Das will ich nicht sagen, Herr v. Briest. Daß sie so fiebert, gefällt mir nicht. Aber wir werden es schon wieder 'runter kriegen, dann muß sie nach der Schweiz oder nach Mentone. Reine Luft und freundliche Eindrücke, die das Alte vergessen machen . . ."
„Lethe, Lethe."
„Ja, Lethe," lächelte Wiesike. „Schade, daß uns die alten Schweden, die Griechen, bloß das Wort hinterlassen haben und nicht zugleich auch die Quelle selbst . . ."
„Oder wenigstens das Recept dazu, Wässer werden ja jetzt nach Vorschrift nachgemacht. Alle Wetter, Wiesike, das wär' ein Geschäft, wenn wir daraus