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Deutsche Rundschau.
hin ein Sanatorium anlegen könnten: Friesack als Vergessenheitsquelle. Nun, vorläufig wollen wir es mit der Riviera versuchen. Mentone ist ja Wohl Riviera? Die Kornpreise sind zwar in diesem Augenblicke schlecht, aber was sein muß, muß sein. Ich werde mit meiner Frau darüber sprechen."
Das that er denn auch und fand sofort seiner Frau Zustimmung, deren in letzter Zeit — Wohl unter dem Eindruck zurückgezogenen Lebens — stark erwachte Lust, auch mal den Süden zu sehen, seinem Vorschläge zu Hülfe kam. Aber Effi selbst wollte nichts davon wissen. „Wie gut Ihr gegen mich seid. Und ich bin egoistisch genug, ich würde das Opfer auch annehmen, wenn ich mir etwas davon verspräche. Mir steht es aber fest, daß es mir bloß schaden würde."
„Das redest Du Dir ein, Effi."
„Nein. Ich bin so reizbar geworden; Alles ärgert mich. Nicht hier bei Euch. Ihr verwöhnt mich und räumt mir Alles aus dem Wege. Aber aus einer Reise, da geht das nicht, da läßt sich das Unangenehme nicht so bei Seite thun; mit dem Schaffner sängt es an, und mit dem Kellner hört es auf. Wenn ich mir die süffisanten Gesichter bloß vorstelle, so wird mir schon ganz heiß. Nein, nein, laßt mich hier. Ich mag nicht mehr weg von Hohen- Cremmen, hier ist meine Stelle. Der Heliotrop unten auf dem Rondel, um die Sonnenuhr herum, ist mir lieber als Mentone."
Nach diesem Gespräche ließ man den Plan wieder fallen, und Wiesike, so viel er sich von Italien versprochen hatte, sagte: „Das müssen wir respectiren, denn das sind keine Launen; solche Kranken haben ein sehr seines Gefühl und wissen, mit merkwürdiger Sicherheit, was ihnen hilft und was nicht. Und was Frau Effi da gesagt hat von Schaffner und Kellner, das ist doch auch eigentlich ganz richtig, und es gibt keine Luft, die so viel Heilkraft hätte, den Hotelärger «wenn man sich überhaupt darüber ärgert) zu balanciren. Also lassen wir sie hier; wenn es nicht das Beste ist, so ist es gewiß nicht das Schlechteste."
Das bestätigte sich denn auch. Effi erholte sich, nahm um ein Geringes wieder zu (der alte Briest gehörte zu den Wiegefanatikern) und verlor ein gut Theil ihrer Reizbarkeit. Dabei war aber ihr Luftbedürfniß in einem beständigen Wachsen, und zumal wenn Westwind ging und graues Gewölk am Himmel zog, verbrachte sie viele Stunden im Freien. An solchen Tagen ging sie Wohl auch aus die Felder hinaus und ins Luch, oft eine halbe Meile weit, und setzte sich, wenn sie müde geworden, auf einen Hürdenzaun und sah, in Träume verloren, auf die Ranunkeln und rothen Ampferstanden, die sich im Winde bewegten.
„Du gehst immer so allein," sagte Frau von Briest. „Unter unseren Leuten bist Du sicher; aber es schleicht auch so viel fremdes Gesindel umher."
Das machte doch einen Eindruck auf Effi, die an Gefahr nie gedacht hatte, und als sie mit Roswitha allein war, sagte sie: „Dich kann ich nicht gut mitnehmen, Roswitha; Du bist zu dick und nicht mehr fest auf den Füßen."
„Nu, gnäd'ge Frau, so schlimm ist es doch noch nicht. Ich könnte ja doch noch heirathen."